Nach Wechsel-Chaos gegen Preußen Münster: Halle legt „pro forma“ Einspruch ein
22. September 2019Für alle im Stadion war es völlig unklar, was da nach 84 Minuten passiert war. Wir lösen die Situation einmal in Ruhe auf – und zeigen, was war. Unterdessen hat der Hallesche FC angekündigt, „pro forma“ Einspruch einlegen zu wollen.
Update:
Am Sonntagmittag teilte der Hallesche FC mit, dass man „pro forma“ Einspruch eingelegt habe. Das diene dazu, den Fall prüfen zu lassen – und zwar darauf hin, welche „Erfolgsaussichten ein offizielles juristisches Vorgehen haben könnte“, so der HFC in einer Mitteilung. Heißt: Die Sache sei in den Spielbericht aufgenommen worden, ob es dann offiziell wird, hängt von der Einschätzung der angesprochenen Experten ab.
Die Begründung des HFC liest sich indes etwas unklar. „Der HFC wollte in der 84. Minute Jan Washausen für Terrence Boyd einwechseln. Weil die Nummer 9 vom vorherigen Wechsel auf Seiten des SC Preußen angezeigt worden war, schickte der Unparteiische stattdessen Pascal Sohm gemäß neuer Regel auf kürzestem Weg vom Feld.“
Links zum TestHalle – Münster: Ex-Schiri sieht Chancen für Wiederholungsspiel
Hallescher FC legt offiziell Einspruch ein
Malte Metzelder: “Kein Regelverstoß, sondern Fehlentscheidung”
Nach Wechsel-Chaos gegen Preußen Münster: Halle legt “pro forma” Einspruch ein
Vor allem der Verweis, dass „auf Seiten des SCP“ die „Nummer 9 vom vorherigen Wechsel“ angezeigt worden war, ist mindestens leicht irreführend. Richtig ist (siehe Text unten), dass in der 82. Minute zwei Wechsel hintereinander durchgeführt wurden. Einer von Münster, dann der von Halle. Beide Wechsel wurden nacheinander auch auf der Wechseltafel mit den korrekten Nummern angezeigt. Der SCP bekam seinen Wechsel problemlos hinter sich, nur auf Seite der Gastgeber gab es ein Missverständnis, dass dann durch eine Unaufmerksamkeit (?) der Schiedsrichter nicht korrigiert wurde. Und das Spiel wurde auch nicht durch den Wechselfehler „entschieden“, wie Halles Präsident später behauptete, sondern durch ein reguläres Tor von Joel Grodowski.
Irgendeine weitergehende Beteiligung oder gar Einfluss des SCP fand jedenfalls zu keinem Zeitpunkt statt. „Der Hallesche FC möchte sich nicht an Spekulationen beteiligen und zunächst Fachleute zur Bewertung des zweifellos einmaligen Vorkommnisses zu Rate ziehen“, heißt es beim HFC.
Die Wechselposse ist nun auch bundesweit zur Kenntnis genommen worden. In der „Welt“ fand nun offenbar ein Agenturtext Eingang, der mangels genauer Kenntnis der Umstände den ganzen Fall weiter verwässert. Dort heißt es gar, dass der Schiedsrichter einen Spieler ausgewechselt habe – dabei hatte Pascal Sohm selbst zugegeben, dass er die Wechselnummer 9 der Preußen irrtümlich auf sich bezogen hatte – und vom Schiedsrichter anschließend lediglich an der Seitenlinie hinausgeschickt wurde.
In der „Welt“ heißt es: „Das Problem: Es war gar nicht der Hallesche FC, der hier wechseln wollte, sondern der Gegner Preußen Münster.“ Und auch diese Darstellung ist verkürzt. Noch einmal: Beide Teams wollten wechseln und beide Teams hatten die Wechsel korrekt angezeigt – aber nur auf Halles Seite gab es dann ein Missverständnis. Halle-Trainer Ziegner laut „Welt“: „Das kann es nicht sein, nur weil sie ein Schild falsch lesen.“ Damit hatte er Recht, denn es war auch nicht so. Pascal Sohm hatte falsch gelesen – ein genauerer Blick hätte ihn schon warnen können, denn einen Einwechselspieler mit der Nummer 27 gab es bei Halle gar nicht …
Der Fall der Reihe nach dargestellt:
Beim Spielstand von 2:1 für Halle hatte der SC Preußen Münster nach 82 Minuten und einigen Sekunden gewechselt. Für den angeschlagenen Rufat Dadashov (Nummer 9) kam Joel Grodowski (Nummer 27) ins Spiel. Das Wechselschild der Preußen zeigte diese beiden Nummer korrekt an.
In der Übertragung von „Magentasport“ ist Sekunden später deutlich der Stadionsprecher zu hören, der „nun“ von einem „weiteren Wechsel“ spricht. Diesmal ist es Halle. Das Wechselschild zeigt deutlich: Terrence Boyd (Nummer 13) raus, Jan Washausen (Nummer 21) rein.
Soweit alles in Ordnung und sauber. Zwei Wechsel in der gleichen Spielminute, Routine.
Die TV-Bilder zeigen: Während Boyd noch vom Feld marschiert, ertönt ein Pfiff des Schiedsrichters Michael Bacher. Boyd dreht sich sogar kurz zum Schiri um. Bacher winkt mehrfach zum wartenden Washausen, aber der kommt nicht aufs Spielfeld, sondern wartet natürlich auf Boyd, der noch immer auf dem Feld steht.
Aber nach dem Pfiff ist hinter Boyd, auf der anderen Spielfeldseite, zu sehen, dass Münster den Ball einwirft und das Spiel weiterläuft. Die Szene führt sofort zum Ausgleich durch den eben eingewechselten Grodowski. Der SCP jubelt, der Ball war drin:
Offenbar war sich der Schiri nicht sofort sicher, so dass er zunächst zum Linienrichter lief – dann gab er das Tor, woraufhin an der Seitenlinie der Gastgeber Tumult ausbrach.
Was die TV-Zuschauer und die Fans im Stadion zu diesem Zeitpunkt nicht wussten: Offenbar hatte der Schiedsrichter via Funk eine Mitteilung über einen Wechsel der Nummer 9 erhalten – diese aber Halle zugeordnet, nicht Münster. Halles Nummer 9 war Pascal Sohm. Und genau den schickte der Schiedsrichter aus seiner Sicht korrrekt an der Stelle vom Spielfeld, die gerade am nächsten lag. Bei „Magentasport“ mutmaßte der Kommentator in dieser Szene, dass Sohm die Nummer 9 der Preußen irrtümlich auf sich selbst bezogen hatte (obschon es ja keine Nummer 27 von Halle gab, der dann hätte kommen können). Wegen der gleichen Spielernummer hatte Sohm offenbar auch keine Zweifel, dass er gemeint sein könnte – und marschierte schnurstracks direkt auf der anderen Seite des Spielfelds runter. Nach dem Spiel bestätigte Sohm gegenüber „Magentasport“ diesen Eindruck: „Ich habe die 9 gesehen und dachte, ich muss runter. Ich hatte noch kurz Augenkontakt mit dem Schiedsrichter, der dann meinte, ich solle an der Seite raus.“
Und das dürfte hier das Problem verstärkt haben: Nach neuer Regel müssen ausgewechselte Spieler sofort das Feld verlassen – dort, wie sie stehen. Hätte Sohm erst zur Mittellinie laufen müssen, wäre der Fehler sofort aufgefallen. Denn parallel lief dort ja Boyd zur Auswechselung – die ja auch korrekt angezeigt wurde.
Die TV-Bilder zeigen, wie der Schiedsrichter aus seiner Wahrnehmung Sohm vom Feld geschickt hatte und Washausen vergeblich hineinwinkte. Weil er das offenbar als Zeitspiel wertete, gab er das Spiel wieder frei. „Pech“ für Washausen. Denn nun fehlten dem Halleschen FC drei Feldspieler: Washausen und die beiden Angreifer Sohm und Boyd, die alle drei nicht auf dem Feld standen, als das Tor fiel.
Diese Unterzahl brachte Halle auf die Palme. Die Verwirrung machte aber komplett, dass Halle nun einen völlig neuen Wechsel vornahm. Plötzlich durfte Boyd wieder aufs Feld und Sohm galt nun offiziell als ausgewechselt – und diesen Wechsel verkündete nun auch der Stadionsprecher erneut.
Ob der Schiedsrichter den vorherigen Wechsel einfach „annullierte“? Ob Halle einfach dem Wechsel folgte, den das Schiriteam sich selbst notiert hatte? Diese Frage ist offen.
Halle denkt über Einspruch nach
Gegenüber 100ProzentMeinSCP bestätigte Halle-Geschäftsführer Ralf Heskamp (übrigens 8 Spiele für Münster in der Saison 1996/1997), dass man zumindest über einen Einspruch nachdenke. „Wir prüfen, ob wir das machen.“ Es sei eben unglücklich gelaufen. „Auch für den Schiedsrichter eine dumme Situation. Nach der alten Auswechselregel wäre so etwas nicht möglich.“
Vermutlich hätte ein Einspruch aber wenig Erfolg, weil aus Sicht des Schiedsrichters eben ein vollendeter Wechsel vorlag und das Spiel freigegeben war. Zumal die Preußen selbst an der ganzen Sache völlig unbeteiligt waren.
Dass Halle-Trainer Ziegner hinterher betonte, der eingewechselte Washausen sei „ausgerechnet“ für den nur Sekunden zuvor eingewechselten Grodowski als Bewacher eingeteilt gewesen, dürfte wohl eher der Versuch sein, die Benachteiligung der Gastgeber noch einmal plakativ vor Augen zu führen.
Ziegner wollte aber nach Spielende auch die Schiedsrichter nicht an den Pranger stellen. „Das sind doch auch nur Menschen. Sie haben wohl eine falsche Auswechslung gesehen. Das war unglücklich. Und wie das nun ausgeht, kann ich auch nicht sagen.“