Wie Münsters maue Finanzen den SC Preußen Münster betreffen

Wie Münsters maue Finanzen den SC Preußen Münster betreffen

29. September 2024 2 Von Carsten Schulte

Um das vorwegzunehmen: Nein, das Preußenstadion ist nicht bedroht. Warum die Frage aber gestellt werden könnte, erklärt sich durch eine Mitteilung der Stadt, in der es um eine unangenehme Sparliste geht. Und das böse Wort der Haushaltssicherung steht darin. Der Umbau des Preußenstadions ist längst politisch und planerisch fortgeschritten, in wenigen Monaten sollen die Bagger anrücken, daran ändert sich nichts. Doch an anderer Stelle wäre der SC Preußen Münster in gewisser Weise betroffen.

Worum geht es dabei eigentlich? Im Kern gibt die Stadt Münster in jedem Jahr mehr aus als sie einnimmt. Das hat viele Gründe. Zum einen muss die Stadt zunehmend Lasten übernehmen, die der Bund wegen seiner eigenen Schuldenbremse auslagert. Zum anderen sind es „hohe freiwillige Standards, die Münster sich in vielen Bereichen städtischen Handelns leistet“, wie Stadtkämmerin Christine Zeller mit Blick auf den Haushaltsplanentwurf 2025 formuliert. Soll heißen: Münster macht immer ein bisschen mehr als andernorts.

Ein Beispiel könnte die gerade erst fertiggestellte Mathilde-Anneke-Gesamtschule sein, deren extrem hohe Ansprüche an Nachhaltigkeit, geringen Energieverbrauch und Barrierefreiheit am Ende u.a. auch die Kosten nach oben trieben.

Oder der Picassoplatz, den die Stadt Münster 2016 für über 500.000 Euro umbauen ließ – was damals auch den Bund der Steuerzahler alarmierte.

Als Beispiel kann sogar das Preußenstadion selbst dienen, bei dem die Stadt ausdrücklich nicht „einfach nur“ ein Stadion bauen wollte, sondern gleich ein „Plus Energie“-Stadion mit hohen Ansprüchen an Klimaneutralität und Inklusivität. Ein Projekt, das eine „energiewirtschaftliche Vorbildfunktion im Stadionbau“ übernehmen soll…

Solche Standards sorgen in Münster regelmäßig dafür, dass Projektkosten aus dem Ruder laufen. Fairerweise sei erwähnt, dass Münster sich grundsätzlich in bester Gesellschaft befindet. Ob Dortmund oder Düsseldorf: Viele Städte in NRW und in Deutschland können keine ausgeglichenen Haushalte mehr aufstellen und müssen an die Reserven ran. Der „Münster-Standard“ ist hier nur ein Teil des Problems.

Beispielhaft ist im Bericht der Stadt erwähnt, dass alleine der Bereich Kinder, Jugend und Familie mit einem Kostenanstieg von 88 Prozent (!) einen besonders spürbaren Effekt hat. „Eine Erkenntnis aus dem dynamischen Aufwandswachstum ist, dass die kommunale Ebene einen immer größeren Anteil der Aufwendungen in diesem Bereich zu tragen hat“, heißt es hier.

Noch aufzufangen

Für den Stadthaushalt 2025 rechnet die Kämmerin mit einer Summe von fast 1,7 Milliarden Euro. Und einem Fehlbetrag von 37,4 Millionen Euro. Dieser Fehlbetrag kann noch durch die sogenannte Ausgleichsrücklage aufgefangen werden. Dabei handelt es sich um einen gesonderten Posten des Eigenkapitals der Stadt, mit dem das Land Nordrhein-Westfalen den Städten eine gewisse Flexibilität im finanziellen Handeln einräumt. Solange der Haushalt mit einem (überschaubaren) Rückgriff auf die Ausgleichsrücklage ausgeglichen werden kann, passt alles. Weil diese Ausgleichsrücklage in den vergangenen Jahren eigentlich regelmäßig in Anspruch genommen wurde, fühlt sich das mittlerweile fast normal an – sollte es aber nicht sein.

Problematisch(er) wird es, wenn auch die allgemeine Rücklage, ergo das Eigenkapital der Stadt angegriffen werden muss. Diese allgemeine Rücklage ist eine rechnerische Größe und ergibt sich – laienhaft gesprochen – aus der Gegenüberstellung von Aktiv- und Passivposten. Fällt der Saldo negativ aus, entsteht ein nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag. Ein Zugriff auf die allgemeine Rücklage löst haushaltsrechtliche Konsequenzen aus – die Haushaltssicherung.

Haushaltssicherung bedeutet, dass die Handlungsspielräume für Rat und Verwaltung „massiv eingeschränkt“ werden, ein umfangreiches Konsolidierungspaket aufzustellen wäre und neue freiwillige Aufgaben auch bei deutlich erkennbarem Bedarf nicht mehr getätigt werden können, wie die Kämmerin schreibt. Der Fall tritt ein, wenn eine Kommune ihre allgemeine Rücklage, also das Eigenkapital, zwei Mal in Folge um mehr als fünf Prozent reduzieren muss, um ihre Jahresdefizite zu decken. „Von dieser Situation trennen uns im Jahr 2026 nur noch 3,4 Millionen Euro und im Jahr 2027 nur noch 1,1 Millionen Euro“, so Zeller. „Das ist angesichts des gesamtstädtischen Haushalts in Höhe von fast 1,7 Milliarden Euro eine sehr fragile Situation.“

Haushaltssicherung bedeutet aber auch, dass freiwillige Leistungen nicht mehr selbst erbracht werden können – und genau darunter könnte auch der Umbau eines Stadions fallen, oder? Denn hierfür greift die Stadt ja auch auf Kredite zu, doch genau deren „selbstbstimmte“ Inanspruchnahme entfällt im Falle einer Haushaltssicherung.

Fragezeichen stünden aber auch hinter anderen Großprojekten, beispielsweise dem geplanten Musik-Campus oder dem fulminanten Neubau eines vierten Stadthauses am Albersloher Weg, der schon für sich allein genommen deutlich teurer als der gesamte Stadionumbau wäre.

Und nun?

Noch schrammt die Stadt an dieser Haushaltssicherung vorbei. Damit das auch so bleibt, hat die Stadt ein heftiges Sparpaket vorgelegt, das spürbare Einschnitte in vielen Bereichen vorsieht. Bürgerinnen und Bürger werden sicher häufiger zur Kasse gebeten – entweder über steigende Abwassergebühren oder höhere Kosten für Kita-Plätze und Abstrichen bei der Betreuung von Kindern in der Schule. Während die Kämmerin allen Ämtern und Dezernaten der Stadtverwaltung ein striktes Ausgabenbudget zugewiesen hat, waren die Spitzen der Dezernate aufgerufen, in ihrem jeweiligen Bereich konkrete Maßnahmen zur Kostensenkung identifizieren zu lassen. Auf dieser Grundlage hat die Verwaltung dem Rat sowohl strukturelle Sparmaßnahmen mit „Langfristwirkung“ wie auch Maßnahmen mit möglichen Sofortwirkungen vorheschlagen.

Was auch passieren wird: Künftig sollen bei Investitionen immer zwei Varianten vorgestellt werden – eine „gewünschte“ und eine sogenannten Reduktionsvariante, also eine „Sparvariante“ mit weniger hohen Ansprüchen. Die Botschaft: Investitionsmaßnahmen sollen „zukünftig deutlich kritischer in den Blick“ genommen werden.

Bei der Vorstellung der Zahlen spielte ausdrücklich das Stadion als prominentes Beispiel eine Rolle, wie es in den „Westfälischen Nachrichten“ heißt. „Gerade, weil das Stadion so wichtig ist, wollen wir die Haushaltssicherung vermeiden“, so habe Oberbürgermeister Markus Lewe betont. Denn genau dessen Finanzierung hängt eng mit der Frage zusammen, wie frei die Stadt künftig ihre Ausgaben gestalten kann …

Um das aber hier gleich zu relativieren: Preußens Finanz-Geschäftsführer Dr. Markus Sass weiß natürlich um die Finanzlage der Stadt. Man werde im Austausch auch engmaschig informiert, betonte er am Rande des Spiels gegen Schalke. Indes sei das Stadionprojekt dank mehrjährig vorlaufender Finanzplanung und einschlägiger Ratsbeschlüsse längst sicher. Also: Haushaltssicherung hin oder her – dieses Projekt steht nicht auf einer Streichliste.

Im Zusammenhang mit den rigorosen Sparplänen stehen allerdings viele andere Ausgaben auf dem Prüfstand. Die CDU forderte am Freitag bereits ein erneutes Moratorium beim Stadthaus 4. Dabei war das gerade erst wieder in die Liste der aktuellen Projekte aufgenommen worden. „Bevor Einnahmen erhöht und Leistungen für Kinder und Jugendliche in Frage gestellt werden, muss die von der Rathausmehrheit gegen die Haltung der CDU gefallene Entscheidung für ein viertes Stadthaus mit Kosten von rund 100 Millionen Euro auf den Prüfstand gestellt werden. Ein Moratorium für dieses Projekt ist angesichts der kommunalen Finanzlage und der dringenden Haushaltskonsolidierung erforderlich“, so CDU-Fraktionsvorsitzender Stefan Weber in einer Mitteilung.

FANport

Auch Outlaw betroffen

Auf der Sparliste der Stadt steht übrigens auch ein rund um den SCP bekannter Name. Outlaw, Betreiber des FANports am Stadion, sollen Mittel gestrichen werden. Künftig soll der FANport jährlich 24.500 Euro weniger erhalten – in 2024 standen dort noch rund 65.000 Euro, wie Outlaw vorrechnet. Jetzt wären es nur noch 40.000 Euro.

Grund für die geplante Mittelkürzung sei, dass der Verein durch den Aufstieg in die 2. Bundesliga ja bereits zwei hauptamtliche Fanbeauftragte eingestellt habe. Doch diese Argumentation hinke aus Sicht von Outlaw gewaltig. Die Arbeit der Fanbeauftragten für den Verein habe wenig Berührungspunkte mit der sozialpädagogischen Arbeit im FANport, ein Vergleich sollte sich hier eigentlich verbieten.

Für Outlaw hätte eine spürbare Reduzierung der Zuschüsse noch schlimmere Folgen: Die Finanzierung des FANports steht auf drei Säulen: Da sind die Zuschüsse der Stadt (25%), eine Landesförderung (25%) und ein Beitrag von DFB/DFL, die am Ende die Zuschüsse von Stadt und Land verdoppeln. Eine Reduzierung des städtischen Zuschusses würde also deutlich höhere Einbußen bedeuten, weil die daran gekoppelten Zuschüsse von Land und DFB/DFL ebenfalls sinken. Für den FANport bedeute dies: Rund 100.000 Euro würden bereits 2025 fehlen. Konkret bedeutet das: Rechnerisch müsste die Hälfte der Stellen im FANport wegfallen – auch das gerade erst erhaltene Qualitätssiegel „Fanprojekt nach dem NKSS“ ginge verloren, denn für das Siegel müssen mindestens zwei hauptamtliche Mitarbeiter für die pädagogische Arbeit zur Verfügung stehen. Das wäre dann nicht mehr der Fall.

Bitter ist diese Streichliste, weil Outlaw ja gerade erst den Zuschlag erhalten hat, die künftige Kita im Stadion zu betreiben. Outlaw hatte eigentlich sogar einen leichten Anstieg des städtischen Zuschusses beantragt, um die tariflich gestiegenen Gehälter finanzieren zu können. Ohne diese Erhöhung des Zuschusses würde Outlaw bereits im kommenden Jahr defizitär arbeiten. Bliebe es bei der Sparliste der Stadt, stünde weit mehr auf dem Spiel.

In gewisser Weise ist der SCP also durchaus betroffen, wenngleich an anderer Stelle.