Ticketing, Strukturen, Personal: Preußen Münster muss schnell besser werden

Ticketing, Strukturen, Personal: Preußen Münster muss schnell besser werden

19. August 2024 9 Von Carsten Schulte

Mit der enormen Ticket-Nachfrage nach dem Zweitliga-Aufstieg ist der SC Preußen Münster einfach (noch) überfordert. Dieses Zwischenfazit darf man wohl aktuell ziehen. Es knirscht an allen Ecken und Enden, vieles ist der immer noch viel zu knappen personellen Besetzung im Klub geschuldet und damit ein strukturelles Problem, das der SCP bisher auch nicht gelöst hat.

Der jüngste missglückte Ticketvorverkauf für das DFB-Pokalspiel gegen Stuttgart war Anlass für eine Stellungnahme des Klubs. Eine dauerbesetzte Hotline, abgebuchte Gebühren, gescheiterte Bestellungen: Zum VVK-Start am Samstagmorgen ging erst einmal gar nichts, erst am Montagmorgen entspannte sich die Lage dann etwas. Bis mittags waren dann knapp 1.400 der 2.300 Tickets weg. Nicht gut, aber besser. Warum das alles so schief ging, das müssen Dienstleister Eventim und Preußen Münster noch klären.

In einer Stellungnahme versuchte der Klub die Sache am Montag einzuordnen. Tenor: Man habe Fehler gemacht, arbeite aber an einer Verbesserung.

Der perfekte Sturm

Im Grunde war es ein bisschen der perfekte Sturm: Personelle Knappheit trifft auf technische Umstrukturierungen trifft auf extreme Nachfrage … Ein Dreiklang, der einfach Pannen begünstigt. Und mittendrin steckte zuletzt eben der SC Preußen Münster, der auf viele Wünsche hört, sich dabei aber neue Baustellen schafft.

Das aktuelle Beispiel? In der Vergangenheit setzte der SCP häufig auf einen klassischen Ticket-Vorverkauf am Stadion und/oder Verkaufspunkten wie dem Shop in den Münster Arkaden. Was zunächst einfach klingt, sorgte oft für Unzufriedenheit bei jenen, die sich nicht die Zeit nehmen konnten, an einem Wochentag nach Münster zu fahren, um für Tickets anzustehen. Ein Problem vor allem für auswärtige Fans, von denen die Preußen ja glücklicherweise viele haben.

Dazu kommt: Um den Vorverkauf künftig weniger personalaufwendig zu gestalten, ist der SC Preußen dabei, sein Ticketing zu digitalisieren. Das hat der Klub in der Vergangenheit schlicht versäumt und stattdessen auf eine eigene Lösung gesetzt – ein Fehler, der bisher nicht so ins Auge stach, mit dem ungeahnten Höhenflug die Probleme aber schonungslos aufdeckte. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass manche Mitglieder und Fans in den vergangenen Jahren auch keine besondere Lust auf Digitalisierung hatten und von den Online-Möglichkeiten wenig Gebrauch machten. Darauf musste sich der SCP bisher einstellen, aber ebenso wird er darauf weniger Rücksicht nehmen können, es geht einfach nicht.

Mehr Arbeit als früher

Genau daran, also der Digitalisierung, arbeitet der SC Preußen jetzt. Und muss jetzt ein bisschen büßen für die Fehler der Vergangenheit. Lange hatte der Klub das wackelige Fundament ignoriert – und nun sind schlichtweg die Zahlen viel größer geworden. Während sich die Zahl der Dauerkarteninhaber und Vereinsmitglieder in den vergangenen Jahren noch in einem überschaubaren Rahmen bewegte, müssten die Preußen eigentlich längst mehrere Mitarbeiter einstellen, die sich um derlei Aufgaben kümmern. Tat er bisher nicht, tut er noch nicht. Und deshalb dauert es jetzt eben noch Wochen oder gar Monate, ehe die vielen tausend Datensätze neben dem Tagesgeschäft ins Eventim-System übertragen werden können, wie der SCP schreibt. Der Zeitrahmen legt die Vermutung nahe, dass derzeit nicht einmal eine Schnittstelle existiert, mit der die Daten automatisiert übertragen werden könnten.

Was dann aber irgendwann möglich sein wird, konnten Dauerkarteninhaber bereits jetzt erkennen: Automatisch hinterlegte Tickets, die mit ein paar Klicks geordert werden können – so soll es sein und so wird es künftig auch sein. Es dauert eben.

Den Preußen muss man – bei allem Ärger – zugute halten, dass sie versuchen, vieles besser zu machen. Der Kraftakt, das Stadion binnen weniger Wochen zweitligatauglich zu machen und so Heimspiele in Paderborn oder sonstwo zu verhindern, war gewaltig. Er verdient Respekt.

Auf dem Weg zur Professionalisierung passieren leider Fehler. Zuletzt häuften die sich. Der Stress mit den Dauerkarten, die zu hunderten auf dem Postweg verloren gingen? Ein Chaos, für das der SCP nur bedingt etwas kann. Der Klub kann belegen, dass jedes Ticket ausreichend pünktlich an einen Versanddienstleister übergeben wurde (übrigens nicht die Deutsche Post) – warum die Tickets dann nicht ankamen, ist noch immer unklar. Den Ärger muss der Klub ausbaden. Auch den, dass viele Dauerkartenbesitzer im Sommer ihre angestammten Plätze verloren haben – weil die DFL mit dem Aufstieg verpflichtende Maßnahmen einforderte. Dafür kann der SCP nichts, aber die Wut richtet sich dennoch gegen ihn.

Pokal-Chaos

Und nun das Chaos mit dem Pokaltickets. Die Idee, den Vorverkaufsstart auf einen Samstag zu legen, war bewusst so gewählt. Die an sich gute Idee: Der Klub hatte versucht, seinen Mitgliedern eine Telefonwarteschlange an einem normalen Wochentag zu ersparen – denn wer hat schon während der Arbeitszeit die Möglichkeit, Ticket-Hotlines anzurufen? Die Idee endete im Durcheinander. Nach Informationen von 100ProzentMeinSCP hatte der SCP zwar Mitte der Woche bei Eventim angefragt, doch die Vereinbarung mit dem Dienstleister wurde erst ganz kurz vorher verbindlich. Ganz sauber klappte die Kommunikation mit Eventim offenbar nicht. Folgerichtig passten die Kapazitäten bei der Hotline nicht – wenn es nicht läuft, dann halt gar nicht. Apropos Hotline: Die vom SCP angegebene Nummer war nicht die offizielle Eventim-Hotline, sondern eine von denen, die für externe Kunden freigeschaltet werden. Falls jemand versehentlich doch die reguläre Hotline angerufen hatte, dürfte er dort auf Unwissen gestoßen sein – oder wenigstens unklare Informationen erhalten haben. Aber das nur nebenbei.

Der ganze Vorverkauf war einfach nicht richtig gut geplant, die Kritik muss sich der Klub gefallen lassen. Erst elf Tage vor dem Pokalspiel wurden die Mitglieder über den Vorverkauf informiert. Das ermöglicht einfach keine sichere Zeitplanung, für niemanden; das muss besser gehen. Personelle Besetzung hin oder her: Die Spielpaarung steht seit vielen Wochen fest, der exakte Spieltermin wurde bereits Mitte Juni festgelegt. Zum Vergleich: Für das Pokalspiel gegen Bayern München im vergangenen Sommer gab es bereits Mitte Juli Informationen zum Ticketing – für eine Partie Ende September.

Andererseits: Dass Eventim als erfahrener Dienstleister nicht in der Lage ist, eine stabile Hotline zu schalten, wirkt auch nicht gerade nachvollziehbar. Kurzfristige Absprache, nicht ausreichende Dispo: Alles kam wohl zusammen. Und dass dann für jeden (automatisch) abgebrochenen Anruf noch eine Gebühr von 20 Cent anfiel, ist in diesem Kontext eine Zumutung. Wie der SCP mitteilt, sollte dies nicht der Fall sein – Eventim wolle das prüfen, teilt der SCP mit.

Offiziell will Eventim übrigens nichts zu den Vorgängen sagen. Auf Anfrage von 100ProzentMeinSCP reagierte der Dienstleister schnell, verwies aber in den Detailfragen an den Klub.

Guter Wille

Bei allem Ärger gilt jedoch grundsätzlich: Dem SC Preußen darf man unterstellen, dass er nicht vorsätzlich seine Fans vergraulen will. Bei der Planung des Vorverkaufs steht die Prämisse, es den meisten Fans möglichst einfach zu machen. Dass es keine 100-prozentig passende Lösung für alle gibt, liegt dabei auf der Hand. Wer einmal versucht hat, das Ticketing beim BVB zu durchlaufen, müsste für den SCP viel Verständnis aufbringen. Mit einem kleinen Team versucht der SCP mit aller Kraft, die erheblichen strukturellen Nachteile wettzumachen. Dabei wird er auch in nächster Zeit noch stellenweise scheitern. Die unglaubliche Entwicklung des Klubs hat ihn an vielen Stellen schlichtweg überrollt, was die Strukturen jenseits des Sports betrifft, gehört der SCP streng genommen nicht in den Profifußball. Nicht wegen eines fehlenden Willens. Sondern weil er einfach keine Zeit hatte, sich auf diese gewaltige Veränderung einzustellen. 33 Jahre Dritt- und Viertklassigkeit lassen sich nicht einfach so abschütteln. Mangelverwaltung ist an vielen Stellen angesagt – das weiß auch der SCP selbst, der unter anderem Teile des jüngst frisch eingeworbenen Kapitals einsetzen will, um endlich die Strukturen selbst zu verbessern. Das Problem ist erkannt. Es zu lösen, nimmt Zeit in Anspruch.

„Aus diesem Grund ist es uns wichtig, dass alle Kritik, egal in welchem Zusammenhang, sachlich bleibt und unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht persönlich angegriffen werden“, schreibt der SCP. Denn das ist wiederum Verantwortung der Fans: Sie müssen akzeptieren, dass die Preußen erst seit drei Wochen in der 2. Bundesliga spielen. Und wenn „alle zusammen“ für die Mannschaft und die Fans gilt, sollte das auf das Team hinter der Mannschaft übertragen werden. Jeder Tag macht alles besser, so einfach ist das.