Sascha Hildmann kritisiert 10-Spiele-Aufstieg: „Absolut unfair!“
9. April 2021Es gibt in Deutschland nur zwei Regionalligen, die Woche für Woche um Punkte kämpfen: West und Südwest. Die drei anderen Ligen sollen aber trotzdem Aufsteiger in die 3. Liga entsenden und vielleicht sogar Absteiger nach unten schicken – Preußentrainer Sascha Hildmann hält das für „absolut unfair“.
Was wird aus der Saison 2020/2021? Diese Frage haben zwei Regionalliga-Staffeln klar beantwortet: Unter allen Auflagen, mit vollem wirtschaftlichen Einsatz und viel Kraft spielen die beiden Staffeln West und Südwest ihre Mammut-Saison zu Ende. Sagenhafte 42 Spieltage müssen in beiden Staffeln absolviert werden. Volle Kosten, kaum Einnahmen.
Dagegen steht in den drei anderen Staffeln seit Monaten alles still. Die Bayern mit ihrem komplett absurden Sonderweg hatten die aktuelle Saison direkt ganz ausfallen lassen, wollten tatsächlich ihre Saison 2019/2020 ganz entspannt zu einem Ende bringen – was daraus wurde, kann man nun sehen. Immerhin haben die Bayern ihren Aufstiegsplatz mit Türkgücü bereits 2020 verbraten und sind in diesem Jahr raus.
Im Norden und im Nordosten haben sich die Klubs für einen Saisonabbruch ausgesprochen, wollen aber trotzdem Aufsteiger in die 3. Liga entsenden. Das führt zu der kaum noch sachlich zu erklärenden Absurdität, dass Viktoria Berlin mit 11 absolvierten Spielen aufsteigen soll. Wie das im Norden aussehen soll, wo Klubs teilweise erst 7 (!) Saisonspiele absolvierte hatten, ist noch unklar.
Der DFB pocht mit Blick auf sein „Premiumprodukt 3. Liga“ auf Pseudo-Normalität und Auf- und Absteiger. So war es ja schon in der vergangenen Saison, als die Liga partout behandelt werden sollte, als sei alles tutti. Da muss die Regionalliga offenbar liefern.
Nun ist das Szenario, dass 43 Klubs ein massives Spielprogramm absolvieren und die Saison bis zum Ende spielen und mit Punktezahlen absteigen müssen, die andere noch gar nicht erreicht haben und sogar aufsteigen dürfen. Beispiel: Der TSV Havelse kommt als Spitzenreiter mit 20 Punkten für einen Aufstieg in Frage, Flensburg mit 24 Punkten. So viele hat das West-Schlusslicht RW Ahlen bereits jetzt sicher – müsste aber damit absteigen. Gerecht? „Nein“, sagt Preußen-Trainer Sascha Hildmann. „Ich finde das nicht korrekt, mit 10 Spielen in die 3. Liga aufzusteigen.“ Das ist eine grundsätzliche Haltung. Wer hier seit Monaten durchspielt, muss sich zwangsweise veräppelt vorkommen, wenn die anderen auf dem Sofa und ohne jede Belastung und ohne eigenes Zutun aufsteigen dürfen.
Im Nordosten gibt es anscheinend keine Kritik daran, dass Viktoria Berlin natürlich aufsteigen dürfte. Theoretisch ist das auch nachvollziehbar: Die Berliner haben eine grandiosen Saisonstart erwischt und 11 Siege in 11 Spielen geholt. Aber: Nach 11 Spielen hieß z.B. der Tabellenführer im Westen noch RW Essen. Hildmann führt eben diese Rot-Weissen an, um ein Problem aufzuzeigen: Essen führte teilweise mit deutlichem Vorsprung die Tabelle an – sechs, sieben Punkte vor dem BVB II. Aber ein sicherer Aufsteiger war RWE damit nicht. Längst ist der BVB vorbeigezogen. War Viktoria Berlin nach 11 Spielen schon Meister?
59 andere Teams werden – überspitzt gesagt – fürs Nichtstun belohnt, während andere für die ganze Plackerei bestraft werden. „Das ist absolut unfair und spricht nicht für Fair Play“, fasst Hildmann seine Kritik in Worte. Denn zugleich werden die Oberligen reihenweise annulliert – aus der Oberliga also niemanden aufsteigen zu lassen, aber tatenlose Regionalligaklubs zum Aufsteiger zu küren? „Das verstehe ich nicht.“
Offener Brief im Südwesten
Den Ärger hat Hildmann ja auch nicht exklusiv. In der Südwest-Staffel hat Ligasprecher Rafael Kowollik, Geschäftsführer des FC Homburg, einen Offenen Brief geschrieben, in dem es um eben diese empfundene Ungerechtigkeit geht. „Es stößt auf breites Unverständnis, dass am Ende einer Mammutsaison mit 42 Ligaspielen im Juni sechs Vereine direkt aus der Regionalliga Südwest absteigen müssen, während drei oder gar vier Vereine aus den darunterliegenden drei Oberligen nach nur acht, maximal 13 Spielen am grünen Tisch aufsteigen sollen.“
Dass die 3. Liga demnächst vor ganz anderen Problemen steht, liegt auch auf der Hand. Aus der Spielklasse, die zwischenzeitlich fast prächtiger und attraktiver war als die 2. Bundesliga, mit vielen großen Namen und Teams, droht ganz langsam wieder zum Auffangbecken für Zweitvertretungen zu werden. Der BVB II wird wohl demnächst dabei sein, Bayern II, Freiburg II, Mönchengladbach II werden auch Ambitionen nachgesagt, ebenso dem VfL Wolfsburg II. Klubs, die dank Profiteams im Hintergrund ungleich bessere Möglichkeiten hätten als viele Traditionsklubs. Ein fairer Wettbewerb ist die Konkurrenz mit finanzstarken Bundesligisten längst nicht mehr. „Wo ist da der Mehrwert?“, lautet Hildmanns Frage. „Was soll das?“ Auch Hildmann präferiert eine eigene Nachwuchsliga für die Zweitvertretungen. Aber das ist ein ganz anderes Thema.
Ärgerlich ist die Lage in den fünf Regionalligen allemal. Und es gibt keine Anzeichen, dass der DFB dies erkennt und handelt. Alles wie immer.