Preußen Münster verliert in Chemnitz – Abstieg wird real
16. Juni 2020Beim SC Preußen Münster wird sicher niemand aufgeben, noch sind schließlich 15 Punkte zu vergeben. Aber die Durchhalteparolen verlieren zunehmend an Substanz – in etwa so wie im hektischen Saisonfinale die geistige und auch körperliche Kraft zur Neige geht. Das späte und bittere Tor in Chemnitz trifft leider einen Nerv.
Dejan Bozic (Chemnitz) bejubelt das 1:0 durch ein Eigentor von Simon Scherder, der fassungslos hinterherschaut. Foto: Imago
Es sah lange aus, als würde der SC Preußen das dritte 0:0 in Folge einfahren. Defensiv standen die Adler in Chemnitz stabil, ließen im Grunde nur eine einzige echte Chance für die Gastgeber zu. Das war nicht schön, sondern ein „zäher Schinken“, wie Sascha Hildmann es formulierte. Aber schön spielt keine Rolle. Nur Punkte. Und den einen in Chemnitz hätte der SCP am Ende trotzdem gern mitgenommen. Die Diskussionen wären selbst in diesem Fall ohnehin darüber geführt worden, ob der SCP nicht erneut eine große Chance verpasst hätte.
So wie vor einer Woche in Großaspach, als sich erstmals seit Monaten die Chance bot, den Abstand auf die Nichtabstiegsplätze abzubauen. Es gelang dort nicht, es gelang auch nicht gegen Ingolstadt und nun in Chemnitz waren es erneut Big Points, die vergeben wurden.
Statt zwei Punkten oder drei sind es nun wieder fünf Punkte Rückstand auf Platz 16. Halle punktete, Viktoria gewann, Chemnitz gewann. Das war ein Spieltag zum Abgewöhnen aus Preußensicht.
„Die Gefühlslage ist bescheiden“, gab Kapitän Julian Schauerte zu. „Der Punkte wäre gerecht gewesen, aber dann durch so ein krummes Ding zu verlieren…“ Dabei sei der SCP in den vergangenen Wochen doch gut drauf gewesen, so Schauerte. Damit hat der frühere Düsseldorfer völlig Recht. Platz 9 in der Rückrundentabelle, damit wäre alles im Lot. Unter Sascha Hildmann wurde der SCP wieder konkurrenzfähig. Schade, dass die stabilisierenden Maßnahmen erst zu spät greifen konnten. Die Saison hat der SCP nach Lage der Dinge in der Hinrunde verspielt – und der Klub nahm das vielleicht etwas zu reaktionslos in Kauf. Das Prinzip Hoffnung ging dabei schief.
„Das war ein Nackenschlag“, so Hildmann über das 0:1 in Chemnitz. „Aber es bringt nichts, auch wenn es noch so schwer fällt. Wir haben einfach keine Zeit, uns damit aufzuhalten.“ Das ist buchstäblich richtig. Jetzt kehrt der SCP zurück nach Münster, dann bleiben Mittwoch, Donnerstag und Freitag, um sich irgendwie auf Braunschweig vorzubereiten. Allzu viel Nachdenken schadet nur. Schauerte formulierte es ähnlich. „Es geht am Samstag weiter, es sind noch fünf Spiele, wir geben nicht auf.“
Das glaubt man dem Kapitän und man kauft es dem Team ab, das sich nicht aufgibt. Aber es zehrt an den Nerven, dass selbst eine stabile Punkte-Ausbeute in der Tabelle nichts, rein gar nichts verändert. Es ist wie ein Anrennen gegen eine Gummiwand, zum Verrücktwerden.
Die nackten Zahlen – und da hilft einfach keine Durchhalteparole – sind für jedermann zu erkennen. Sofern die Marke von 45 Punkten gültig wäre, müsste der SCP von den verfügbaren 15 Punkten noch 10 holen. Beim aktuellen Schnitt aus der Rückrunde käme der SCP auf 7 Punkte. Das würde in der Endabrechnung 42 Punkte ergeben und das reicht nicht, ganz einfach. Mit jedem Spiel wird die Bürde größer.
Klar spielt der SCP noch gegen den direkten Konkurrenten Zwickau. Aber Fakt ist: Gegen die anderen Konkurrenten Viktoria, Großaspach und Chemnitz holte der SCP nur einen einzigen Punkt. Und was, wenn Zwickau am Mittwoch in Großaspach gewinnt?
Zur Sicherheit sollte der SCP seine Ziele anpassen – Vollgas für den Klassenerhalt, aber wenn das absehbar nicht gelingt, dann wenigstens noch Platz 17 erreichen. Wer weiß, was der DFB im Zulassungsverfahren für andere Klubs noch bereithält?
Durchschlagskraft geht verloren
Es ist auffällig, dass der SCP in den vergangenen Spielen spürbar an offensiver Durchschlagskraft verloren hat. Vielleicht sind das die ersten sichtbaren Spuren der Dauerbelastung. Denn so wenig Chancen wie zuletzt sahen die Fans bisher nicht. Auch der Trainer weiß das. „Da waren viele Fehler, viel Klein-Klein, kaum Struktur.“ Warum der SCP nicht mehr Druck aufbauen kann, ist schwer zu sagen. Die wichtige defensive Stabilität erklärt die weitgehend chancenlosen Spiele kaum – denn das sah nach der Corona-Pause auch schon mal anders aus.
Nur phasenweise konnte der SCP jüngst sein Spiel verändern – aber auch dann sprangen nur wenige echte Chancen heraus. Individuelle Qualität half den Preußen zuletzt bei ihren Treffern, aber die ist nicht immer abrufbar.
„Wir dürfen uns nicht umwerfen lassen“, so Hildmann nach Abpfiff. „Dass es auch mal einen Rückschlag gibt, ist klar. Wir werden aber den Kopf wieder in den Wind hängen und Gas geben.“ Das sind kämpferische Ansagen, aber sie wiederholen sich – und Gas geben wäre ja eigentlich auch in Chemnitz geboten gewesen. Das ist aber leichter gesagt als getan.
Die Zeit verrinnt dem SCP und so sehr man es dem Team wünscht und hofft: Das alles hat jetzt etwas von „Warten auf den Moment“. Eine Niederlage in Braunschweig, die ja nicht undenkbar oder anrüchig wäre, könnte schon die Weichen für den zweiten Abstieg in die Viertklassigkeit stellen.
Hoffentlich hat der SC Preußen einen Plan B in der Tasche.
Keine Panik, durchhalten: Wenn der SCP die Punkte sammelt, ist am letzten Spieltag in Magdeburg Alles möglich. Der FCM ist die spielerisch schwächste Mannschaft, lebt vom Punktepolster, verliert Heimspiele ohne ihre 20.000 Zuschauer. Diese letzte Chance muß man wahren!!!
Möge der Preßen-Adler einen dunklen Schatten auf das Magdeburger Stadion werfen.