Rückblick: Preußen Münster und sein trauriger 100. Geburtstag

Rückblick: Preußen Münster und sein trauriger 100. Geburtstag

30. April 2021 0 Von Carsten Schulte

Der 30. April ist das Geburtstagsdatum des SC Preußen Münster. Das war 1906. 100 Jahre später, am 30. April 2006, wurde im Rathaus am Prinzipalmarkt offiziell gefeiert. Knapp einen Monat später war der Abstieg besiegelt. Das ist nun 15 Jahre her. Heute feiert der Klub seinen 115. Geburtstag.

Foto: Preußenfahnen am Rathaus in Münster am 30. April 2006

Heute, am 30. April 2021, feiert der SC Preußen seinen 115. Geburtstag. Beziehungsweise nicht, denn weder lässt Corona irgendetwas zu noch hätte der Klub aktuell gewaltige Partys zu feiern. Die Viertklassigkeit hält den SCP wieder in den Armen und mindestens bis Sommer 2022 bleibt das auch so. Das weckt Erinnerungen an den 100. Geburtstag vor 15 Jahren. Der stand auch unter keinem guten Stern.

Der SC Preußen Münster wollte sein Jubiläum 2006 eigentlich groß feiern. Ausstellungen, Freundschaftsspiele, Partys, ein offizieller Rathaus-Empfang: Vieles war geplant, dabei stand der runde Geburtstag schon lange nicht mehr unter einem guten Stern. Die Geburtstagsfeier liegt nun auf den Tag 15 Jahre zurück und nach wie vor wie ein Schleier auf dem eigentlich freudigen Anlass.

Sportlich ging bei den Adlern seit einigen Jahren schon nicht mehr viel. Im Frühjahr 2001 war der SCP unter Stefan Grädler nur hauchfein am Zweitliga-Aufstieg vorbeigeschrammt (die Stichwörter lauten Fortuna Köln, Frank Döpper, SV Babelsberg), aber das war nur ein positiver Ausreißer. So ähnlich wie Pavel Dotchevs 72-Punkte-Saison 2013.

Ab 2001/2002 jedoch spielte der SCP ständig, in jedem Jahr, gegen den Abstieg, wobei im Jahr 2002 nur ein Lizenzentzug für den 1. FC Magdeburg bzw. die Abstiegslage in der 2. Bundesliga den SC Preußen vor dem Abstieg rettete. Das hätte ein Warnsignal sein sollen, war es aber nicht.

Last-Minute-Rettungen am Fließband

2003 rettete sich der SCP erst einen Spieltag vor Saisonende, 2004 in einem aufsehenerregenden Endspiel gegen Wattenscheid am letzten Spieltag (!), 2005 ebenfalls am vorletzten Spieltag mit einem 3:2 bei Arminia Bielefeld II. Das waren vier Jahre lang kräftezehrender Dauer-Abstiegskampf ohne spürbaren Lerneffekt. Die Regionalliga Nord war in weiten Teilen eher eine Quälerei für die Adler.

Insofern kam auch die Katastrophensaison 2005/2006 nicht überraschend. Unter Colin Bell lief wenig zusammen, nach gerade noch erträglichem Saisonstart (zwischenzeitlich rangierte der SCP noch in der oberen Tabellenhälfte) rauschten die Adler aber nach dem 8. Spieltag tief in den Keller und blieben dort auch weitgehend. Auch Urgestein Hans-Werner Moors rettete das Team nicht mehr.

Am 30. April 2006 hatte sich der SC Preußen etwas Schönes einfallen lassen: Im Rathaus empfing die Stadt den Klub zum Gratulieren und die Preußen hatten viele Gäste eingeladen, die sämtlich mit einem 100-Jahre-Trikot ausgestattet wurden. Vor dem Rathaus stellten sich Ex-Spieler, KlubmitarbeiterInnen, Sponsoren, Journalisten und Freunde des Klubs zum größten Klubfoto der Preußen auf.

Lauter Preußen beim Jubiläumsempfang am 30.4.2006.
Carsten Cramer (Mitte) war damals für die Jubiläums-Feierlichkeiten zuständig und dirigiert hier das Groß-Foto.

Getrübt wurde die Stimmung durch die Niederlage in Lübeck am Tag zuvor. Das 1:2 beim VfB vergrößerte den Abstieg auf die Nichtabstiegsränge auf vier Punkte und das verhagelte den Feiergästen ein wenig die Laune – aber auch nicht zu sehr, denn das ganze, große Bild war ja die Geschichte des Klubs über 100 Jahre.

Sportlich richtete es der SCP in den Wochen danach fast noch. Mit einem 2:0 gegen Fortuna Düsseldorf und dem legendären 2:1-Auswärtssieg in Oberhausen (Ansgar Brinkmann!) war der SCP plötzlich wieder punktgleich mit den Nichtabstiegsplätzen!

Beim 2:0-Heimspielsieg gegen Fortuna Düsseldorf präsentierte die Curva Monasteria ihre große 100-Jahre-Choreo.
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Doch dann kam Wuppertal, der Regen, eine 1:2-Heimpleite – und eine rechnerisch machbare, aber tatsächlich unüberwindbare Hürde vor dem letzten Spieltag. Ein Auswärtssieg mit sieben Toren Unterschied in Leverkusen hätte geholfen, aber das 3:1 reichte nicht. Der Abstieg am letzten Spieltag 2006, der Auftakt für fünf Jahre in der Viertklassigkeit. Und ein trauriger Geburtstag. Nach dem Abstieg stellte der SCP die Feierlichkeiten zum Jubiläum ein, das war’s.

Der Abschied nach dem 1:2 gegen den Wuppertaler SV: Frederik Gößling und Arne Tammen (v.l.)

Der SCP von 2021 ist aber nicht mehr der von 2006. Damals suchte der SC Preußen nach Struktur, nach einer Zukunft. Das Stadionthema lag bleiern auf dem Klub, wirtschaftlich ging es, nun ja, eher mau zu. Und die sportliche Perspektive war schnell überschaubar.

15 Jahre später hat der SCP politisch und rechtlich Klarheit in Sachen Stadionumbau. Die Klubstruktur ist dank der Ausgliederung zukunftsfähig, es gibt eine Idee, wie sich der Klub künftig aufstellen soll, der Nachwuchs rückt viel stärker in den Fokus, ein Leitbild für das Selbstverständnis ist in Arbeit. All das ist anders als vor 15 Jahren. Und mit Blick darauf wirken die kommenden Monate und Jahre viel weniger entmutigend, als das 2006/2007 vieleicht streckenweise aussah.