Preußen Münster: Tradition im Fußballmuseum Dortmund
23. August 2022Das Land Nordrhein-Westfalen ist 76 Jahre alt, der Fußball in NRW so etwa 75. Denn als 1947 die Oberliga West ins Leben gerufen wurde, war das auch der Beginn der Fußball-Neuzeit. Eine Wiederauferstehung aus Trümmern. Am Dienstag war u.a. Christoph Strässer aus diesem Anlass im Deutschen Fußballmuseum des DFB zu Gast.
„Heim(at)spiele“ war der Abend im Dortmunder Fußballmuseum überschrieben – und stand ganz im Zeichen der Anfänge des nordrhein-westfälischen Fußballs nach dem Zweiten Weltkrieg. Und, um das vorwegzunehmen, so prominent ist der SC Preußen sonst nicht vertreten in der Sammlung des Museums. Ein Plakat vom Endspiel 1951, ein Krug, das ist so in etwa die historische Leistung, die die Dortmunder dem SCP zugestehen wollen. Umso spannender (und reizvoller) der Ansatz der Veranstaltung, eben nicht die üblichen Verdächtigen einmal mehr in den Mittelpunkt zu rücken, sondern eher die Klubs mit großer (oder leidlich großer) Vergangenheit, aber ohne die ganz große Gegenwart.
Einleitende Worte gab’s von der Landeszentrale für politische Bildung, von der Staatskanzlei, vom Fußballmuseum natürlich selbst: Dessen Direktor Manuel Neukirchner verschaffte sich Gehör und Lautstärke, als er die beiden Traditionsklubs aus Münster und Oberhausen begrüßte und dann wissen ließ, dass er es mit RW Essen halte – eine Statement, das für ziemliches Gejohle sorgte. Neukirchner nahm’s sportlich.
Prof. Jürgen Mittag (Sporthochschule Köln) gab dem WDR-Moderator Burkard Hupe sehr launig Auskünfte über die historische Bedeutung der alten Oberliga West und ordnete den damaligen Erfolg von Klubs wie Sodingen oder Hamborn ein: Das seien die Klubs gewesen, die aus dem Umfeld von Zechen stammten und deren Spieler dank lukrativer Arbeit unter Tage mit Naturalien versorgt wurden – und so fit genug waren, um in dem noch jungen Ligabetrieb für starke Leistungen zu sorgen. Das waren Zeiten, als Sodingen sportlich den großen Klubs wie dem 1. FC Köln den Rang ablief …
Alles vergangen. Erinnerungen und Tradition. Und eben darum ging es Hupe dann im Gespräch mit Strässer und Sommers. Oberhausens Chef, bekannt für klare Worte und griffige Aussagen, hielt dieses Versprechen auch am Dienstag. „Ich bin Fan der Zukunft. Nicht der Vergangenheit.“ Und genau das kennzeichnet das Problem mit der Tradition. Anspruch und Wirklichkeit passen oft nicht (mehr) zusammen. Vergangenheit wird zur Last. Und so sah es auch Christoph Strässer, der daran erinnerte, dass auch in Münster so ein Anspruchsdenken noch immer zu spüren ist – oder zumindest bis vor wenigen Jahren war: „Die Preußen gehören doch in die 2. Liga!“, sei das Mantra mancher Fans, so Strässer. Aber zeitgleich müsse sich der Klub in der Regionalliga neu erfinden.
„Wir leben ein stückweit von den Geschichten von damals“, gab Strässer zu. „Aber man darf nicht vergessen, dass sich die Zeiten ändern, der Fußball, die Menschen und auch die Mentalität des Fußballs selbst.“ Um dann nachzuschieben: „Wenn ich mir den Fußball heute teilweise anschaue, wird mir schlecht. Ich glaube, der Fußball entfernt sich von seinen Wurzeln.“ Letzteres quittierten die Besucher mit Applaus. Und auch Hajo Sommers schlug in die gleiche Kerbe. „Richtigen Fußball gibt’s doch nur noch in der Kreisliga C.“
Sommers betonte auch den Zwiespalt, in dem viele der Traditionsklubs steckten: Eine Chance in der notorisch klammen 3. Liga habe nur, wer einigermaßen wirtschaftlich gesund aus der 4. Liga aufsteige. Aber wie solle man das schaffen? Sommers verwies auf überschaubare Zuschauerzahlen in Oberhausen, das nun einmal nur aus der eigenen Stadt schöpfen könne – weil die Nachbarn Essen oder Duisburg hießen. Und wenn die meisten Fans der Oberhausener eigentlich auch noch eine Geliebte hätten – und zwar eine in Blau-Weiß. Ein Phänomen, das man aus Münster ja durchaus kennt.
Und wer hat die Kraft, wirtschaftlich zu arbeiten? Sommers: „Münster kann das, Essen kann das.“ Und sicher auch der SV Rödinghausen, den Sommers sogar als Aufstiegsfavorit bezeichnete.
„Rödinghausen will aufsteigen und eine Liga höher kochen…“
Hajo Sommers
Strässer wiederum verwies auf das größere Umland des SCP – und sprach auch darüber, dass ein positiver Veränderungsprozess im Ganze sei. Nach dem Abstieg in die Regionalliga habe der Klub sich neu sortiert, habe seine eigene Rolle neu definiert. Und habe auch Strukturen neu gedacht. Leitbild, Nachwuchsleistungszentrum, Kontakt in die Stadt: Alles sei neu. „Und ich bin sicher, dass wir nocjh Potenziale haben, die wir noch gar nicht ausgeschöpft haben.“ Deshalb habe er auch keine Sorge, dass der SCP die 3. Liga nicht stemmen könne.
Strässer griff aber den Traditionsbegriff noch in einem anderen Kontext auf. Während die Erwartung mancher Fans unverändert sei, habe sich doch der Profi-Fußball in den vergangenen 30 Jahren erheblich verändert. Und zwar so, dass der SC Preußen nicht mehr mithalten könne. Aber man arbeite daran…
Wie sagte Sommers? „RW Oberhausen ist ein Traditionsverein, sicher. Aber ich würde das nicht in einen goldenen Rahmen hängen.“ Sicher gehe es darum, aufzusteigen. Aber mehr noch gehe es für die alten Traditionsklubs in den unteren Spielklassen darum, dass der Klub in 20 Jahren überhaupt noch existiere …
Mit Peter Frymuth, einer der DFB-Vizepräsidenten und zugleich Chef des Westdeutschen Fußballverbands, diskutierten Sommers, Strässer und Hupe noch über die Probleme mit der U23-Regel („Abschaffen, Altersgrenzen senken“, so Sommers) oder der Frage, ob Zweitvertretungen nicht überhaupt aus der 3. Liga verbannt werden sollten. Und, wo man dabei warm, ob Profiklubs bzw. Verband nicht auch ambitionierten Amateurklubs den Weg in die Junioren-Bundesligen versperrten durch absurde Auflagen.