Oliver Bierhoff denkt über zwei- oder dreigleisige 3. Liga nach
14. Oktober 2019Der Begriff des Grauens lautet „Projekt Zukunft“. Oliver Bierhoff, früher Stürmer, heute einer der DFB-Direktoren, möchte den deutschen Fußball bis 2030 wieder an die Weltspitze führen. Das erzählte er im Gespräch mit dem „Kicker“ (Ausgabe vom 13.10.). Ein Baustein dabei ist die Nachwuchsförderung – was auf der Hand liegt.
Das „Projekt Zukunft“ könnte allerdings mit einem gewaltigen Pferdefuß für die 3. Liga kommen. Denn Bierhoff warf im Gespräch die Frage auf, ob nicht die 3. Liga künftig wieder zweigleisig oder sogar dreigleisig spielen könnte. Die Idee dahinter: Mehr Vereine bringen mehr Spieler und damit auch mehr Nachwuchsspieler.
Nun wurde die 3. Liga 2008 ins Leben gerufen, gerade weil der bisherige Weg nicht funktionierte. Ab 1994 war die Regionalliga eingerichtet worden, damals in vier Staffeln. Schon 2000 war klar, dass die Leistungsdichte so überschaubar blieb. Folgerichtig wurde die Regionalliga auf zwei Staffeln (Nord und Süd) reduziert.
Und im Sommer 2008 wurde endlich und konsequenz auf einen eingleisigen Unterbau gesetzt. Zum einen, um den Sprung zwischen Profi-Fußball und Amateurfußball etwas abzufedern, zum anderen, um den Leistungsgedanken in der 3. Liga zu fördern. Die Realität der 3. Liga zeigt, dass sie ein Ort für ambitionierte Profiklubs ist. Es gibt praktisch keine Klubs mehr (abgesehen von Zweitvertretungen wie dem FC Bayern München II), die nicht das Potenzial für die 2. Bundesliga hätten. Das ist Folge der vergleichsweise hohen Ansprüche der Klasse. Im Laufe der Jahre sind Klubs verschwunden, für die die 3. Liga schlichtweg zu groß war: Kickers Emden, Wacker Burghausen, auch Wuppertal oder TuS Koblenz, Babelsberg oder Zweitvertretungen wie BVB oder VfB Stuttgart.
Zukunft in der Vergangenheit
Die aktuelle Besetzung liest sich wie ein Who is Who der Bundesliga-Geschichte.
Und in vielen dieser Klubs werden ganz selbstverständlich Nachwuchsspieler einbezogen, selten aus Überzeugung, häufiger aus der (wirtschaftlichen) Not heraus geboren. Auch in Münster fanden Spieler wie Simon Scherder, zwischendurch Tobias Warschewski, Jannik Borgmann, Marcel Hoffmeier oder Joel Grodowski ihren Platz. Andere, wie der erst 21 Jahre alte Fridolin Wagner, übernehmen längst auch wichtige Rollen.
Und Oliver Bierhoff plant nun den Rückgriff in die Vergangenheit durch eine Abschaffung der 3. Liga. Es ist nicht ganz ohne Ironie, dass Bierhoffs Projekt Zukunft mit einem veralteten und nachweislich nicht erfolgreichen System starten soll (oder könnte).
Bierhoffs Idee: „Das könnte eine Möglichkeit sein, jüngeren Spielern mehr Spielmöglichkeiten zu geben.“ Spielmöglichkeit ist das eine, Leistungsniveau das andere. Denn in einer künftigen (bis zu dreigleisigen) 3. Liga würden eben all jene Klubs aufschlagen, deren sportliche Ambitionen sich bisher am Ende der Regionalliga orientiert haben. Die weder wirtschaftlich, sportlich oder infrastrukturell in der Lage wären, im Profifußball mitzuhalten. Für die die heutige Regionalliga in jeder Hinsicht das Ende der Fahnenstange ist.
Noch simpler formuliert: Die Zahl der Klubs würde sich ja nicht verändern, sondern die Liga schwächer werden. Und damit ein Spielniveau zementiert, das es heute ja bereits gibt. In den Regionalligen.
Bierhoff weiter: „Aktuell fehlt die Auswahl an jungen deutschen Spielern, wie es zum Beispiel vor zehn Jahren der Fall war.“ Das mag sein, aber das dürfte eher weniger die Schuld der 3. Liga sein oder durch eine Zerstörung der 3. Liga aufgefangen werden. Dass dem Fußball die Nachwuchsspieler wegbrechen, könnte etwas zu tun haben mit der Veränderung des Freizeitverhaltens von Jugendlichen. Mit der falschen Förderung von Nachwuchsspielern selbst. Zumindest letzteres ist Bierhoff ja bewusst. Im „Kicker“-Interview sprach er selbst darüber, wie Nachwuchsspieler heute schon der Spaß ausgetrieben wird, wie Strukturen Kreativität überlagern. Was sollte exakt daran eine Zerschlagung der 3. Liga ändern?
Und war es nicht der DFB, der seinen Profiklubs gerade erst die Auflösung der eigenen U23-Teams ermöglicht hatte?
Witzige Geschichte. Man könnte sich ja auch fragen, ob die Abschaffung der U23-Mannschaften etwas damit zu tun hat. Wie schafft das eigentlich das hippe England mit 4 Profiligen?
— Stadelhuber (@Stadelhuber) October 14, 2019
Es ist auch grundsätzlich eigenartig, wie viel Wert der DFB auf die Vermarktung der 3. Liga legt (mit „Claims“ und pathetischen Worten), aber wenig tut, um die Liga zu stärken. Zuletzt war die 3. Liga Verlierer im Poker der Landesfürsten und der Regionalligen. Weil beispielsweise den Bayern ihre Heimatliga mit Klubs von SV Schalding-Heining, FV Illertissen bis zu TSV Aubstadt oder SV Heimstetten wichtig war, blieb es bei fünf Staffeln. Die 3. Liga brachte in der ganzen Debatte das einzige „Opfer“. Sie ließ sich auf vier feste Absteiger ein und der DFB hatte sein Aufstiegsproblem noch immer nicht gelöst.
Und nun kommt also Oliver Bierhoff und denkt über eine Zerstückelung einer leistungsorientierten Liga, die bei Zuschauern für großes Interesse sorgt, nach, weil ganz unten im Fußball die Fehler gemacht werden?
Die Strukturen für den Nachwuchs gibt es ja, die Regionalliga. Einzig der Begriff Regionalliga führt zu Desinteresse. Gebt dem Kind einen Namen, belohnt die Vereine mit höheren Geldern für gute Arbeit und das Leistungsniveau wird sich verdichten. Mit der Einführung der 3. Liga hat man viel richtig gemacht und den Vereinen die Möglichkeit an die Hand gegeben sich für den Profifussball zu rüsten. Durch die Verträge mit der Telekom eine sehr gute Platform geschaffen die durch eine Aufspaltung sofort wieder hinfällig würde. Es geht darum die unteren Ligen zu verbessern, nicht etwas etabliertes zu zerstören.
Den Wuppertaler SV mit Kickers Emden zu vergleichen ist ja wohl ein Witz. Und uns ist die 3. Liga auch wohl zu groß geworden.
Im Text vergleiche ich NICHT den Wuppertaler SV mit Kickers Emden. Ich führe beide Klubs als solche auf, für die die 3. Liga zu groß ist – mindestens aktuell. Und der Wuppertaler SV fällt derzeit aber hundertprozentig in diese Kategorie.