Nicht nur eine Frage von Millionen

Nicht nur eine Frage von Millionen

28. August 2024 7 Von Carsten Schulte

Das Spiel beim Hamburger SV steht noch aus, aber in der gegenwärtigen Verfassung wird der SC Preußen dort nur mühsam etwas Zählbares mitnehmen. Seit Mitte Juli hat der SC Preußen nur noch zwei Tore geschossen: eins beim Testspiel in Mainz, eins in Fürth. Seitdem herrscht Ruhe im gegnerischen Tor und das lag auch gegen den VfB Stuttgart nicht nur daran, dass alleine die beiden Mittelstürmer Undav und Demirovic zusammen und 50 Millionen Euro Transferwert in die Waagschale werfen können.

„Schaut euch an, gegen wen wir da gespielt haben“, meinte Trainer Sascha Hildmann nach dem Spiel etwas achselzuckend. Mit einem Blick auf die Aufstellung ging er die Werte durch: „Führich, Nationalspieler, Mittelstädt, Nationalspieler, Angelo Stiller, 20 Millionen: Das ist nicht unsere Liga, das ist nicht unser Maßstab.“ Damit lag der Preußentrainer natürlich richtig. Der Vizemeister war in allen Belangen mindestens eine Klasse besser – von der Ballsicherheit übers Tempo bis zur Spielübersicht. Da war der SC Preußen über die 90 Minuten insgesamt einfach abgemeldet. So ehrlich darf man schon sein.

Was allerdings schon erheblich verwundert: Es gab schon Mannschaften des SC Preußen, die gegen Top-Favoriten deutlich wehrhafter angetreten sind. Als Regionalligist lieferte der SCP Gegnern wie Wolfsburg oder Hertha spürbar mehr Gegenwehr – und erzielte sogar Tore. Jena machte es am Tag danach beim 0:1 gegen Meister Leverkusen viel spannender – und das als Viertligist. Live im Fernsehen und vor Millionenpublikum präsentierten sich die Preußen dagegen leider zahnlos. Diesmal kam der SCP zu keiner Phase für Treffer in Frage, auch wenn der grundsätzliche Gedanke, offensiv und mutig mitzuspielen, phasenweise durchaus sichtbar war. Dass daraus nichts Zählbares wurde, lag auch daran, dass Münsters Offensivspiel derzeit nicht auf Augenhöhe mit der Liga ist.

Die ganz wenigen Chancen, die der SCP bekam, vergaben die Adler schon arg lässig. Weit drüber, weit daneben – kein Schuss kam wirklich hart und gefährlich aufs Tor. Was bedeuten „expected goals“, wenn sie nur gewaltige Luftlöcher produzieren?

Stuttgart – und auch da lag Hildmann sicher richtig – müsse man schnell abhaken. Diese Partie war sicher herausragend, ein bisschen mehr Gegenwehr wäre wünschenswert gewesen, aber am Ende war das ein Bonusspiel. Dass vor der Partie die Träume von einer Pokalüberraschung etwas größer waren als in der jüngeren Vergangenheit, war schon irgendwie zu spüren. Es lag sicher auch daran, dass die Preußen diesmal als Zweitligist antraten und schon auf dem Papier nicht der krasse Außenseiter waren, zu dem Stuttgart sie am Ende leider doch machte. Das Publikum verstand am Ende dennoch, was da passiert war, Pfiffe gab es nicht – das ist der Kredit, auf den Trainer und Team nach zwei Aufstiegen nun setzen können. Ein starkes Zeichen von den Rängen.

Dennoch: Es läuft noch nicht rund in dieser Saison. Die Preußen halten auf dem Feld mit, aber sie kommen derzeit nicht für Punkte in Frage. Gegen Stuttgart brachten fünf Wechsel in der Startelf sicher auch keine Ruhe rein – auch wenn Hildmann nichts davon wissen wollte. „Schaut euch die Tore an. Da sind Leute beteiligt, die Stammspieler sind.“ Keine Schuldzuweisungen, sondern nur Einordnungen. Trotzdem dürfte schon klar sein, dass hier und da die Abstimmung fehlte, die Routine, die Sicherheit.

Ein bisschen war das alles auch gedacht, um für „gute Laune“ zu sorgen, wie Hildmann formulierte. So blieb Niko Koulis draußen. Keine Strafe, wie Hildmann sofort betonte. „Er wäre auch draußen gewesen, wenn er gegen Kaiserslautern zwei Tore gemacht hätte.“ Stattdessen rückte Simon Scherder endlich mal wieder in den Kader – auch wenn der dann ohne Einsatz draußen blieb und auch nicht zwingend nach guter Laune aussah. Sei’s drum, gut gelaunt war am Dienstagabend ohnehin niemand mehr beim SCP.

Aber Wechsel hin, Wechsel her: Die Fähigkeit, in der 2. Bundesliga mithalten zu können, muss sich schnellstmöglich in Toren und damit in Punkten ausdrücken. Noch ist das alles „hätte, hätte, Fahrradkette“, aber bei einer nicht völlig überraschenden Niederlage beim HSV würde der SCP wohl erstmals auf die Abstiegsränge rutschen und da Fußball auch Kopfsache ist, kann so etwas schnell in einer Abwärtsspirale enden. Darauf angesprochen, tat Hildmann am Dienstag das, was er immer tut. Er winkte ab. „Wichtig ist, was am Ende ist.“ Das ist das Mantra des Pfälzers, bestens eingeführt, aber natürlich auch mehr als ein Running Gag. Bewiesen haben es die Preußen in den vergangenen drei Jahren immer und immer wieder. Das soll also Mut machen.

Nur muss der SCP schnell in vielen Bereichen besser werden. Beispiel? Mit ihren Standards richten die Preußen derzeit nichts aus, am Dienstag durfte Torge Paetow dann einiges erledigen, Einwürfe beispielsweise, doch Abnehmer fand der SCP dabei nicht. Und das war auch in der Liga schon so zu sehen: Die Wirkung dieses Mittels lässt derzeit zu wünschen übrig. Dazu passt dann auch, dass die offensiven Neuzugänge noch nicht wirklich eingebunden sind, was vor allem für András Németh gilt, der nur wenige Tage nach seinem Wechsel zum SCP noch einiges an Nachholbedarf hat. Am Dienstagabend war er komplett wirkungslos – was aber auf die Mannschaft insgesamt auch zutraf.

Kann Hamburg ein Spiel sein, um sich daran aufzurichten?