Kolumne #18: Under Pressure

Kolumne #18: Under Pressure

13. Mai 2020 0 Von Martin Stadelmann

Der DFB schickt seine Drittliga-Klubs wieder auf die Strecke – das ist der Plan. Dabei verliert er das Gefühl für Verantwortung, kommentiert Martin Stadelmann. Am Ende werden die Spieler unter dieser Terminhatz leiden, die mit einem regulären Saisonende nur noch wenig zu tun hat.

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Heute bin ich aufgewacht und hatte sofort einen Ohrwurm, ohne das Lied in letzter Zeit irgendwo gehört zu haben.  Bah bah bah bah bah bah

Der DFB hat den Schraubstock angezogen, gegen jede wirtschaftliche und gesundheitliche Vernunft soll die Saison im Hoppla-Hopp-Modus auf Biegen und Brechen beendet werden. Von der immer wieder so hoch angesiedelten gesellschaftlichen Verantwortung keine Spur, denn der DFB stellt sich gerne über die Gesundheitsbehörden, die an manchen Orten noch nicht einmal ein Training zulassen. Die gefühlte Sicherheit soll erkauft werden mit einem teuren Hygienekonzept, das bekanntlich mehr auf Schein als auf Sein baut. Köln, Berlin, Dresden. Alleine auf dem Gebiet der DFL, dem hochprofessionellen im Industriebetrieb Fußball, kam es zu Vorfällen, teilweise eklatanten Verstößen. 

Aber schieben wir das Virus gedanklich an die Seite und wenden wir uns der Sportwissenschaft zu, der Trainingslehre. Stets feiert sich der DFB für seine hochwissenschaftliche Trainerausblidung, die Schwerpunkte im gezielten Trainingsaufbau setzt, um dann all diese Konzepte über Bord zu werfen.  Zwei Wochen bleiben vielen Teams bestenfalls, um sich auf einen dicht gedrängten Terminplan vorzubereiten. Ein Terminplan mit fünf englischen Wochen in 6 Wochen. Alleine eine solche Andrängung von Spielterminen wäre ein reiner Wahnsinn, doch das System hier geht noch weiter.

Im Interview der Sportschau mit Fastnationalspieler Robin Gosens von Atalanta Bergamo bekommen wir einen realen Einblick in die Problematiken der Spieler. Gosens sagte, dass er zu Beginn der spiel-/trainingsfreien Zeit dachte, dass die Rückkehr vergleichbar sei mit der nach einem Urlaub. Da werden in der Regel für drei Wochen Urlaub fünf Wochen Vorbereitung angesetzt bis zum ersten Spiel. Der Spieler von Atalanta sagt, dass allerdings er schnell erkennen musste, dass es keinen Vergleich zu einem normalen Urlaub gebe. Als Spieler habe er größtenteils nur die Chance sich auf einem Laufband fitzuhalten. Ein gewaltiger Unterschied zu normalen Urlauben. Auch dort hält sich ein Spieler fit, aber er zusätzlich spielt man eben auch noch Tennis, schwimmt oder trifft sich zum Flemmen mit Freunden. All das ging nicht, all das fehlt aber in der körperlichen Belastung. Stattdessen waren der Gang zwischen Sofa und der Sessel der Hauptsport neben dem Laufband. Seine ersten Eindrücke nach der Rückkehr ins Kleingruppentraining fasste er so zusammen: „Das war schon Wahnsinn zu sehen, wie viel man in zwei Monaten verliert.“

Kommen wir nun zu den Preußen. Denen geht es ähnlich, wenn sie dann jetzt wieder auf dem Platz stehen dürfen. Beginnen wir mit ein wenig Zahlenspielerei. Körperlich dürften die Spieler bei vielleicht 80 Prozent ihres normalen Leistungsvermögens sein. In zwei Wochen alleine diese Rückstände aufzuholen, ist fast unmöglich. Dazu kommen dann noch Elemente wie Beweglichkeit, Spritzigkeit, Dehnbarkeit und noch so vieles mehr. Alles Dinge, die in den letzten Wochen einfach auch auf der Strecke bleiben mussten. Kaum möglich wird es sein, an taktischen Dingen zu arbeiten, die Spieler werden geradezu verheizt.

Geht es an dem Dienstag los gegen Halle, dann wird der Mittwoch zum Auslaufen genutzt, Donnerstag wird regulär trainiert und der Freitag wird dann in Bussen der Tag für die Fahrt nach München verbracht. Samstag dann das Spiel bei Bayern, zurück durch die Nacht im Bus. Sonntag Auslaufen.  Montag Training, Dienstag Training, Mittwoch Spiel gegen Haching, Donnerstag Auslaufen. Freitag kurzes Training und Fahrt nach Aspach. Samstag Spiel. Eine Knochenmühle ohne Regeneration, obwohl die Spieler nicht einmal annähernd das körperlich erforderliche Niveau für den normalen Spielbetrieb vorweisen. Der Tipp des DFB: vergrößert den Kader. Woher sollen die Spieler kommen? Aus der seit Wochen trainingsfreien Oberliga? Minderjährige aus den Jugendmannschaften?

Insanity laughs under pressure we’re cracking

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