Kolumne #13: Die Fußballblase
8. April 2020Die 13. Ausgabe der Kolumne „100% Preußen“ beschäftigt sich mit der Frage nach einer Solidarität im Fußball und auch dem moralischen Kompass mancher Verantwortlichen. Martin Stadelmann über die „Fußballblase“.
In der Krise beweist sich der Charakter, sagte dereinst Helmut Schmidt. Einige dürften über die Hilfsbereitschaft oder Solidarität in der Bevölkerung positiv überrascht sein, der Fußball hingegen überrascht niemanden. Er bleibt selbstbezogen und versucht seine eigene Blase am Leben zu halten.
Es sind schon absurde Szenarien, die sich im internationalen Fußball abspielen. Der FC Liverpool will seine Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken, kündigen, obwohl dort Millionen als Gewinn ausgewiesen wurden. Und muss dann schließlich zurückrudern. Die englischen Profis verweigern einen Gehaltsverzicht unter dem Hinweis, dass aus ihren Steuerzahlungen schließlich auch das Nationale Gesundheitssystem finanziert werde. Aber wir müssen gar nicht mit dem Finger auf andere zeigen. Wir haben die DFL und den DFB.
Die DFL erlaubt ihren Mitgliedern wieder die Aufnahme des Trainings, natürlich nur in Kleingruppen, man ist ja schließlich nicht total rücksichtslos. Dazu hält man am Plan fest, Anfang Mai wieder in den aktiven Spielbetrieb einzusteigen. Mit geradezu absurden Plänen. Mittlerweile wird schon berechnet, wie viele Personen während eines Spiels im Stadion sein dürfen, vielleicht sogar sollen. Inklusive Ballkindern. Größenordnungen von 250 bis zu 600 werden benannt.
Getoppt wird das Ganze noch durch den Plan, dass die am Spielbetrieb beteiligten Personen regelmäßig auf Corona getestet werden sollen. Alle drei Tage, hieß es. Welche Person in wirklich wichtigen Berufen wie der Pflege oder infrastrukturellen Versorgung kommt in den Genuss einer solchen Sonderbehandlung? Warum sollen pro Woche tausende Tests verschwendet werden, damit dieser Zirkus weitergehen kann?
300 Kilometer liegen zwischen Bergamo und München. Dort kämpft eine Stadt seit Wochen um ihr tägliches Dasein, aber hier sollen Millionäre bei Laune gehalten werden und am Ende einfach nur die Gelddruckmaschine in Gang gehalten werden. Die Bundesliga argumentiert gerne mit dem hohen Kostendruck und der daraus drohenden Insolvenz. Wäre es da nicht sinnvoll, an die Ursachen zu gehen? Der Kostendruck entsteht durch die Gehälter der Fußballspieler. Und diese sollen bei Laune gehalten werden. Die Realitäten der übervollen Krankenhäuser, der Fans in Kurzarbeit, die Arbeitslosigkeit, all das interessiert nicht. Karl-Heinz Rummenigge sprach gegenüber Fans, die sich gegen Dietmar Hopp (SAP ist Platin-Partner bei Bayern München) empörten, von der hässlichen Fratze des Fußballs. Ein Blick in den Spiegel würde ihm sicherlich eine andere Perspektive ermöglichen.
Aber das System ist nicht nur in den Vereinen ein Problem. Die Verbände sind im gleichen Maße verroht. Da veröffentlicht der DFB im Anschluss an die DFL erleichternde Maßnahmen für Insolvenzen, man spricht spöttisch vom Lex Kaiserslautern. Rainer Koch spricht davon, dass die Saison bis in den Oktober verlängert werden könne und die anschließende Saison durchaus auch ausfallen könne. Natürlich bietet er dabei keinerlei Lösungsmöglichkeiten, wie die Clubs denn das Ganze finanzieren sollen.
Wir dürfen nicht vergessen, dass neben den Spielerverträgen auch die Sponsorenverträge ein Enddatum haben. Und selbst wenn diese bis in den Oktober Gültigkeit hätten, wäre das immer noch ein erheblicher finanzieller Verlust für die Clubs, da die gleichen Einnahmen (bestenfalls) über einen deutlich längeren Zeitraum gestreckt werden müssten. Aber der DFB will diese Saison auf Biegen und Brechen beenden, die Signale in die Clubs sind eindeutig. Sehr empfehlenswert ist hierbei der Podcast des WDR mit Hajo Sommers als Gast, der aus Sicht von Rot-Weiß Oberhausen tiefe Einblicke in die Probleme der Clubs mit Corona und dem Verband gibt (Siehe dazu auch: Hajo Sommers kritisiert den DFB). Denn dem Verband DFB mit all seinen Töchtern geht es ausschließlich um die Zahlungen von Sponsoren. Nichts Anderes zählt. Hier können wir am Ende nur hoffen, dass die Politik DFL und DFB ausbremsen wird. Und die Blase bald platzen wird.
Wie symbolträchtig für diese Blase war doch am Samstag dieser peinliche Auftritt von Dietmar Hopp beim Aktuellen Sportstudio. Das ZDF war sich nicht zu schade, einem Milliardär Platz für zwei Videobotschaften zu geben, ohne Möglichkeit der Nachfrage, ohne Möglichkeit der Gegenrede. In Zeiten von großer Verunsicherung in der Bevölkerung bleibt der Geltungsdrang eines Milliardärs wichtiger als die realen Probleme des alltäglichen Sports.
Besser kann man das Problem der Fußballblase nicht umreißen.