Fanblock abgetrennt: Preußen Münster macht Aufbruchstimmung kaputt

Fanblock abgetrennt: Preußen Münster macht Aufbruchstimmung kaputt

29. Januar 2020 10 Von Carsten Schulte

Die Geschäftsführung der SC Preußen Münster KGaA hat für das kommende Heimspiel gegen den MSV Duisburg den Heimblock O vom Stadion „abgetrennt“. De facto ist das eine (Ein-)Sperrung. Anlass ist eine Pyroeinlage aus dem Spiel gegen Magdeburg im Dezember. Aber die Entscheidung ist auch eine böse Grätsche mitten in die Aufbruchstimmung. Ein Kommentar.

Was hat der SC Preußen Münster um den Jahreswechsel nicht alles in Bewegung gesetzt? Sponsoren trieben Gelder für Neuverpflichtungen auf, Fans sammelten in eigener Regie Geld ein – alle zusammen für den Klassenerhalt, das große Ziel. Der SC Preußen feierte sich und seine Anhänger. Die Hashtags lauteten #niemalsaufgeben und #gemeinsamuntenraus, nur zusammen wollte der Klub raus aus dem Schlamassel.

Für die Auswärtstour in Jena wurden subventionierte Busse eingesetzt, Lunchpakete von der Mannschaft gepackt, alles für die Aufbruchstimmung und den Auswärtssieg. Dann Jena: Löhmannsröben mit Kopfverband, Cueto in Gala-Form, die Mannschaft am Zaun. Was für ein Auftakt. Und nun das spannende und ewig junge NRW-Duell gegen den MSV Duisburg, das schon vor 30 Jahren Preußenfans elektrisierte.

Tja, es wäre schön gewesen.

Stattdessen wurde nun Realität, was schon vor wenigen Tagen hinter den Kulissen als Gedankenspiel zu hören war. Der SC Preußen hat beschlossen, den Heimblock ab sofort vom Rest der Preußenkurve und des Stadions zu trennen. Wer im „Stimmungsblock O“ steht, darf ab Samstag nicht mehr durch den Haupteingang, sondern muss hintenrum an der Tribüne hoch. Die Absicht dahinter ist ein besserer „Zugriff“ auf potenzielle „Straftäter“, also beispielsweise Pyro-Zündler. Die räumliche Eingrenzung soll die Ermittlung von Fans ermöglichen, die gegen die Stadionregeln verstoßen. Es geht dabei wohl auch um Haftungsfragen – ob beispielsweise unbeteiligte Zuschauer durch Rauch gesundheitlich betroffen sind und wie der SCP das unterbinden könnte. Und das sind ja durchaus berechtigte Fragen. Das „Aber“ folgt…

Getroffen wurde diese Entscheidung, wie im Klub zu hören ist, von der Geschäftsführung der KGaA, Bernhard Niewöhner und Malte Metzelder, dazu von dem dafür zuständigen Veranstaltungsleiter Thomas Hennemann.

Warum das alles jetzt für empörte Reaktionen aus der Fanszene sorgt?

Seit Anbeginn aller Zeiten ist es eine Besonderheit im Preußenstadion, dass Fans sich in der Ostkurve frei bewegen können. Der gemeinsame Aufenthalt im Eingangsbereich, die Fanstände – alles ist abgestellt auf das gemeinsame Stadionerlebnis. Dort hinter der Ostkurve ist „Preußenland“, dort begegnen sich im Grunde viele Fans des SCP, die in irgendeiner Weise aktiv sind. Den Block O abzutrennen, hat in etwa die gleiche Wirkung wie die Luftröhre zuzudrücken – drastisch formuliert. Das bedeutet Käfighaltung für die Szene in Block O. Eingesperrt und getrennt von Freunden und anderen Fans. Dabei ist genau diese Begegnung vor und nach dem Spiel der Herzschlag der Anhängerschaft. Zudem rührt die nun getroffene Entscheidung an ein elend altes Dauerthema der Beziehung zwischen Klub und Fanszene. Ein Thema, das man zumindest für den Moment und die kommenden Monate beenden wollte und das sich zuletzt auch etwas entspannt hatte.

Nicht verstehen, aber wissen!

Die jetzige Aufregung der Fans mag man als Außenstehender nicht verstehen, vielleicht interessiert sie auch nicht – aber man muss einfach wissen, dass hier ein weites Feld bearbeitet wird.

Was das nun bedeutet? Am Samstag wird der MSV Duisburg in Münster (s)ein Heimspiel feiern und die Aufbruchstimmung in Münster ist kaputt. Zerstört durch eine Maßnahme, die zu diesem Zeitpunkt und in dieser Form der Vermittlung ein Armutszeugnis ist, schlichtweg eine Bankrotterklärung. Punkt.

Was das alles völlig absurd macht, ist genau dies: Die Tatsache, dass exakt jene Person, die explizit für Fanthemen im Präsidium zuständig ist, nicht einmal offiziell darüber informiert, geschweige denn angehört worden wäre! Burkhard Brüx ist Fanbeirat und sitzt im Präsidium des e.V. und erfuhr erst am Montag offiziell von der bereits betroffenen Entscheidung.

Wenn ein Fanbeirat bei einem Thema, das nur Fans betrifft, nicht einbezogen wird, ist das einfach nicht mehr vermittelbar. Dann ist die Funktion sinnlos und überflüssig – und so wird sich auch Burkhard Brüx die Frage stellen, welchen Sinn das Amt so hat. Auf der anderen Seite: Warum ein Fanbeirat eigentlich so wichtig ist, zeigt diese aktuelle Situation deutlich genug.

Auch andere Gremien des Vereins wurden nicht einbezogen.

Zum Thema auch: preussen-forum.de – Neuer Ärger

Ohne Not, ohne Debatte, ohne Einbeziehung von Fans oder Leuten, die wenigstens etwas Ahnung von Fanthemen haben, wurde hier eine Atmosphäre geschaffen, die vieles ad absurdum führt, was der SC Preußen in den vergangenen vier Wochen aufgebaut hat. Wie soll denn der Klub jetzt noch sein aufmunterndes „Gemeinsam“ formulieren, wenn er selbst das Gegenteil lebt?

Schon vor dem Auswärtsspiel in Jena war die Entscheidung im kleinsten Kreis gefallen, aber das sollte nicht nach außen dringen.

Leiden wird jetzt wieder einmal die Mannschaft, die auf einen leeren oder bestenfalls stillen Block spielt, wo sonst Fahnen wehen und etwas Leben herrscht.

Um das klar zu machen: Rein formal ist das alles sauber. Der Spielbetrieb unterliegt der Verwaltung der KGaA. Der eingetragene Verein ist nicht mehr für die Profimannschaft zuständig. Zwar hätten die mit Mandatsträgern aus dem Verein besetzten Gremien die Möglichkeit, der KGaA-Geschäftsführung zu widersprechen, das Misstrauen auszusprechen, was auch immer. Aber nach Fakten werden solche Entscheidungen nun auf KGaA-Ebene getroffen. Aber was formal und sachlich korrekt ist, ist nicht immer richtig. Denn im Fußball und in einem Fußballklub gelten eben auch noch andere Bedingungen und Rücksichten.

Das gilt allerdings unverändert auch für die Fanszene, die selbstverständlich auch ihren Anteil daran trägt. Die Pyroeinlage gegen Magdeburg war verboten, ganz einfach. Dass auf Aktionen Reaktionen folgen, liegt auf der Hand. Und in der Mitteilung der aktiven Fanszene, die derzeit kursiert, wird das Thema der Mitverantwortung wie gewohnt ausgespart. Das ist der Vorwurf, den sich die aktive Fanszene eben auch anhören muss. Wer bewusst gegen Regeln verstößt, der muss damit rechnen, dass unpopuläre Maßnahmen folgen. Der entscheidende Punkt ist aber, wie diese Maßnahmen ausfallen, wie sie angesprochen und vermittelt werden. Und auch, ob sie verhältnismäßig und angebracht sind. Dahinter muss man im Januar 2020 dicke, dicke Fragezeichen setzen.

Schließlich ist die Zahl der bisherigen Verstöße durchaus überschaubar, zudem müsste sich der Klub angesichts der extrem schwierigen Lage einfach viel bewusster sein, was mit solchen Entscheidungen und vor allem ihrer Vermittlung nach außen kaputtgemacht werden kann. Und zusätzlich macht es glattwegs fassungslos, dass erneut im kleinen Kreis und hinter verschlossenen Türen einfach Entscheidungen getroffen werden, die viel mehr bedeuten als reine Logistik. Man kann das verantwortungslos nennen trotz des Willens, verantwortungsvoll zu handeln. Aber gut gemeint ist eben nicht gut gemacht. Und das hier ist nicht nur „nicht gut“, sondern richtig schlecht gemacht.

Aufbruchstimmung? Niemals aufgeben? Das kann sich der Klub jetzt wohl ins Klo hängen. Das Kind liegt schon wieder im Brunnen. Wie soll man das denn reparieren? Da wirkt die jüngste Personalentscheidung des Vereins schon fast ironisch. Bernd Homann stieg ins Präsidium ein – als Experte für Kommunikation. Da hätte aber selbst der Fachmann nichts mehr retten können, wenn man ihn und irgendwen sonst denn überhaupt einbezogen hätte.

Am Donnerstag ist ein Treffen mit den Verantwortlichen und dem Fanbeirat geplant, möglicherweise auch anderen Vereinsvertretern. Wenn man den Männern dort einen Rat geben sollte, dann diesen: Die Entscheidung umgehend revidieren, sofort das direkte Gespräch suchen. Retten, was zu retten ist. Mehr als Scherben zusammenkehren, ist wohl nicht mehr drin.

Es ist extrem bitter, wie der gesamte Klub jetzt da steht, weil ein kleines Gremium eine scheinbar ebenso kleine Entscheidung nach Aktenlage getroffen hat. Block O ist aber der aktuelle GAU für den Klub, der seine Energie und Konzentration in ganz andere Themen stecken müsste. Und im Klub wissen das auch viele, die nun aus dem Kopfschütteln nicht mehr herauskommen dürften. Nur wurden sie wieder einmal nicht gehört.

Update:

Geschäftsführer Bernhard Niewöhner reagierte am Abend auf die aktuelle Diskussion und nannte die fehlende Einbeziehung von Fanbeirat Burkhard Brüx einen „Fehler“. Er verwies auf das anstehende Gespräch am Donnerstag, aber ließ durchblicken, dass eine andere Lösung derzeit „kaum vorstellbar“ sei. Vorrangig das Thema Haftung sei ausschlaggebend. Zwar sind in der Vergangenheit im Preußenstadion praktisch keine Verletzungen aktenkundig, „aber die Rechtsprechung ist schärfer geworden.“

Niewöhner sagte aber auch, dass der SC Preußen in Sachen Kommunikation „eine Schwäche“ habe.

Aufsichtsratschef Frank Westermann bestätigte auf Anfrage, dass das Gremium in die Entscheidung nicht eingeweiht war und wollte die aktuelle Diskussion mangels Hintergrundinformation bewusst nicht kommentieren.