Preußen Münster hat sein Budget festgelegt – aber wartet auf den Sportchef
15. Juli 2020„Qualität geht hier ganz klar vor Geschwindigkeit“: So hatte der SC Preußen Münster vor wenigen Tagen über seine Kaderplanungen geschrieben. Trotzdem geht es derzeit nicht recht voran – zumindest von außen betrachtet. Vieles hängt derzeit noch an der Personalie des Sportchefs.
Vor mittlerweile 14 Tagen, also zwei Wochen, stand der Abstieg des SC Preußen Münster in die Regionalliga West fest. Das war nach dem 0:3 gegen Meppen. Abgezeichnet hatte sich der Abstieg freilich schon deutlich früher. Auch deswegen wirkt es mit dem Blick von außen, als sei der SC Preußen vom Abstieg überrascht worden. Im Klub sieht man das naturgemäß anders. Die Vorarbeit sei erledigt, heißt es beim SCP. Aufsichtsrats-Chef Frank Westermann sieht in der Wartezeit folgerichtig kein Problem. „Gehen Sie davon aus, dass wir nicht erst seit gestern an der Arbeit sind.“ Der Abstieg erfordere eben einige Planungsarbeiten, so Westermann gegenüber 100ProzentMeinSCP. Mit fast identischen Worten verneinte am Mittwoch auch der kaufmännische Geschäftsführer Bernhard Niewöhner gegenüber unserer Redaktion eine vermutete Untätigkeit. „Das wäre despektierlich. Alles, was zu tun war, ist passiert“, so Niewöhner. Intern sei man weiter als nach außen bekannt sei. „Und Wasserstandsmeldungen geben wir nicht ab.“
Nun ist aber auch der Dienstag ergebnislos verstrichen. Dabei hatte der Klub nach dem Abstieg den Druck selbst aufgebaut, indem er zeitnah und Anfang der vergangenen Woche erste Personalentscheidungen angekündigt hatte. Während aber andere Vereine entweder längst wieder im Training sind oder jetzt starten, verfügt der SCP weder über einen Trainer noch über einen Sportchef oder eine Mannschaft. Schon in sechseinhalb Wochen muss der SC Preußen zum 1. Spieltag antreten. Da dürften ein paar Sorgenfalten zulässig sein.
Dass der SC Preußen über „genügend“ Geld verfüge, wie es zuletzt beispielsweise im „Reviersport“ zu lesen war, ist zumindest optimistischer formuliert als es klingt. Aus der Klubführung sei diese Aussage nicht getätigt worden, heißt es beim SCP. Immerhin hat der Klub ein erstes Budget ermittelt, wie Niewöhner am Mittwoch unserer Redaktion bestätigte. Wie hoch das ausfällt? Kein Kommentar. Frank Westermann verwies lediglich darauf, dass es sich um einen defensiven Ansatz handele – schließlich könnten viele Fragen schlichtweg nicht beantwortet werden. Denkbar, dass der Planansatz (vorzugsweise nach oben) flexibel ist. Natürlich geht es dabei auch um die Zuschauerzahlen. Falls der Verband beispielsweise das Brisanzspiel Münster gegen Essen in eine coronabedingt zuschauerfreie Zeit verlegt, kann der SCP einen der wenigen Zahltage der Saison direkt vergessen.
Der SCP ist weiter spitz auf Kante genäht, viel Spielraum ist nicht. Zumal die Einnahmen in der Regionalliga ja drastisch sinken. Um die 800.000 Euro TV-Gelder fallen weg, frisches Geld über die KGaA ist nicht zu bekommen, Sponsorengelder werden natürlich in der Viertklassigkeit sinken.
Trainer und Sportchef müssen passen
Mit Trainer Sascha Hildmann gibt es nach unseren Informationen längst eine grundsätzliche Übereinkunft. Hier solle es aber nicht ums Geld gehen, so Westermann. Sondern um die wichtige Frage nach dem künftigen Sportchef. Beide Personalien müssen passen, wie der SCP aus der jüngeren Vergangenheit durchaus weiß. Der eine ohne den anderen geht nicht. Nach jüngsten Berichten der „Bild“ soll u.a. der frühere Bremen- und Hertha-Profi Peter Niemeyer ein Kandidat sein. Der gebürtige Münsterländer war zuletzt Co-Trainer bei Twente Enschede. Ob da überhaupt etwas dran ist? Beim Frank Westermann sorgte dieses Gerücht am Mittwoch eher für ein Schmunzeln.
Nicht zu vergessen: Auch mit dem kaufmännischen Geschäftsführer Bernhard Niewöhner muss die „Chemie“ stimmen. (Überflüssige) Reibereien könne man sich nicht leisten, so Niewöhner.
Aber ein bisschen dreht sich alles auch um eine andere Frage. Wo will denn der Klub hin? Es gibt ja nur zwei Wege. Entweder geht es um den direkten Wiederaufstieg (was angesichts der Konkurrenz in Essen ohnehin eine schwere Aufgabe wäre) oder es geht darum, den SCP in der Viertklassigkeit erst einmal ankommen zu lassen und dann in ein, zwei Jahren einen neuen Anlauf zu nehmen. Ob letzteres in Münster noch zu verkaufen ist? Die Lage heute ist eine andere als 2006. Der Unterschied zwischen Regionalliga Nord und Oberliga Westfalen war vor 14 Jahren bei weitem nicht so drastisch wie heute der Sturz aus der eingleisigen 3. Liga in den Amateurfußball. Kann man in Münster statt Kaiserslautern, Rostock, Dresden oder Duisburg die ganzen Zweitvertretungen oder – mit Verlaub – Klubs wie Bergisch-Gladbach, Straelen, Wiedenbrück oder Homberg verkaufen? Falls der SCP schon im ersten Jahr nur um Platz 8 mitspielte, könnte der SCP seine Zuschauerzahlen sicher auch ohne Corona vergessen.
Also: Aufstiegskampf oder mittelfristig Regionalliga?
Variante 1 erfordert ein gewisses unternehmerisches Risiko. Keinen Harakiri-Kurs, aber mindestens die Annahme einer erfolgreichen Saison und der Hoffnung auf eine Rückkehr der Fans ins Stadion. Viele andere Etatfragen könnte heute niemand verbindlich beantworten. Was zahlt der Hauptsponsor? Welche Einbußen im Sponsoring wird die Regionalliga mit sich bringen? Ab wann fließen Zuschauereinnahmen? Um unter diesen Umständen einen Etat aufzustellen und Geld auszugeben, muss der SCP zwingend etwas ins Risiko gehen. Und der SCP sei „nicht auf Rosen gebettet“, wie Westermann eben auch sagt.
Variante 2 ist defensiv, würde aber den SCP nicht in eine gute Ausgangsposition bringen. Dann dürften sich die Fans schlimmstenfalls auf einige Jahre Regionalliga einstellen. Das mag für den einen oder anderen Nostalgiker attraktiv sein, der mit dem Profifußball ohnehin fremdelt. Es stünde aber in deutlichem Gegensatz zu dem, was die Klubführung im Zuge der Ausgliederung formuliert hatte. Wenig davon ist eingetroffen. Fairerweise muss man sagen, dass sowohl Christoph Strässer wie auch Aufsichtsrat Frank Westermann auch über Scheitern gesprochen hatten (was damals aber eher bezogen war auf das Thema Ausgliederung und Stadion).
Wer sich an die Aussagen damals erinnert, dürfte aber schon stutzen. Wenn, dann werde man die 3. Liga „nur nach oben“ verlassen, hieß es vor drei Jahren. Und dass durchaus Investoren bereitstünden, die aber ihr Geld nicht einem Verein zur Verfügung stellten, sondern ein adäquates Konstrukt (und eben auch eine Stadionentscheidung) erwarteten. Nun: Die Zahl der Investoren beim SCP kann man an drei Fingern abzählen – wenn man die Anteile aus den eigenen Reihen (also Anteile von Gremienmitgliedern) außen vor lässt. Und mehr noch: Kein einziger Cent aus der KGaA ging bisher in den Sport. Alles diente zur Absicherung und Ablösung von Verbindlichkeiten.
Geld ist genügend da? Das muss man mit Fragezeichen versehen. Ein klares Ziel vor Augen? Schwer zu sagen. Mehr noch: „Ein konkretes Ziel auszugeben, dürfte kontraproduktiv sein“, so Frank Westermann. Wobei es auch nicht Aufgabe des Aufsichtsrates ist, ein Ziel zu formulieren. Das kann nur die sportliche Führung, sobald es sie und auch eine Mannschaft gibt. Trotzdem.
Das Umfeld des SCP muss weiter warten. Vieles sei vorbereitet, so sagen es die Beteiligten unablässig. Nur braucht es eben noch die Initialzündung, die eine Kette anderer Entscheidungen nach sich zieht. Wer weiß, vielleicht geht es nach dem ersten Schritt ganz zügig?
Wenn die Vereinsführung so neutral bewerten würde, wie ihr in euren letzten Artikeln, dann wären wir heute schon ein paar Schritte weiter. Kritik, sachlich und fachlich. Echt top.