Das neue Preußenstadion soll kommen, aber es dauert
20. April 2020Viele hatten darauf gewartet. Am Montagabend stellte die Stadt Münster gemeinsam mit dem SC Preußen erstmals vor, wie das umgebaute Preußenstadion aussehen könnte. Grundlage bildete die Machbarkeitsstudie, die das Frankfurter Büro Albert Speer + Partner in den vergangenen Monaten gemeinsam mit Klub und Stadt erstellt hatte.
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Um die Botschaft vorwegzunehmen: Realistisch wird es bis mindestens 2022 dauern, ehe der Planungsprozess abgeschlossen ist und Start der Bauarbeiten ist. Weil der SC Preußen einen Umzug in ein anderes Stadion praktisch ausschließt, muss der Umbau im laufenden Betrieb klappen und damit wird sich auch die Bauzeit erheblich verlängern. Die Rede ist von zwei oder drei Jahren.
Um einiges für den SCP zu beschleunigen, wird der Rat bereits in seiner Mai-Sitzung über den vorgezogenen Bau von zwei Trainingsplätzen entscheiden. „Die Stadt hat daran großes Interesse“, so Sport-Geschäftsführer Malte Metzelder am Montag. „Um das Nachwuchsleistungszentrum auf den Weg zu bringen und die Bedingungen deutlich zu verbessern“, seien die beiden Plätze wichtig. Wo dann das Nachwuchsleistungszentrum selbst entstehen wird, sie noch nicht klar. Aber mit den ersten beiden Plätzen könne man das schon auf den Weg bringen.
Der Rest, also das Stadion und die umgebende Infrastruktur, steht unter dem Vorbehalt eines reibungslosen Ablaufs. Covid-19, die Kommunalwahl im Herbst, unplanbare Risiken im Planungsprozess – alles kann den Prozess verlängern. Preußenfans sollten sich darauf einstellen, dass vor 2025 oder 2026 kein neues oder umgebautes Stadion steht. Und auch dann ist noch völlig unklar, wie genau das aussehen wird.
Die erste Visualisierung (siehe Artikelbild) war lange gefordert und gewünscht, aber sie soll keinesfalls als reale Vorlage dienen, sondern lediglich beispielhaft sein für die Möglichkeiten am Standort. Was sich verändert hat, ist aber zumindest teilweise klar: Der Gästeblock wird auch künftig hinten im Westen liegen, die Preußenkurve bleibt im Osten.
Konkret: Auf dem Foto sieht man drei auffällige Elemente: Neben dem eigentlichen Stadion ist hinter der Gegengerade ein mehrgeschossiges Parkhaus zu sehen. Zur Hammer Straße, also rechts vom Parkhaus, steht ein respektabler Bürobau mit bis zu sechs Geschossen. Ob das je so aussieht, steht völlig in den Sternen. Denn hinter jedem einzelnen Modul steht ein Preisschild – und das fällt ganz unterschiedlich aus.
Was kostet das?
Das ist die zweite relevante Information: die Kosten. Die Machbarkeitsstudie sollte das Budget in Übereinklang bringen mit dem, was im Bebauungsplan steht. Im Grunde sind das also zwei Fragen. Was bekommt man für 40 Millionen Euro? Und was kostet es, alle Module aus dem Bebauungsplan umzusetzen. Das sind zwei völlig verschiedene Themen.
Die Grundvariante ist der „Billigheimer“ unter den Modellen. Damit würde der SC Preußen in der ersten Ausbaustufe ein vollüberdachtes Stadion für 32 Millionen Euro erhalten mit Platz für 20.000 Zuschauer. Keine Parkdecks, keine Geschäftsstelle, keine Trainingsplätze. Nur ein einfaches Stadion mit vier Tribünen und nicht ausgebauten Ecken.
In der zweiten Ausbauvariante ist eine Fankneipe eingeplant, damit kostet das Stadion bereits 35 Millionen Euro. Und hier könnte man wählen zwischen Fans und Geldgebern – denn die (dritte) Variante mit zusätzlichen Logen, aber ohne Fankneipe, kostet genausoviel.
Erst in der vierten Variante sind Fankneipe UND Logen eingeplant – dann für 38 Millionen Euro. In den ersten vier Varianten wird in allen Fällen ein vollüberdachtes Stadion entstehen, aber eben mit offenen Ecken. Erst ab Variante 5 wird aus den Tribünen ein Stadion.
Denn die fünfte Variante enthält alles und zusätzlich noch vier geschlossene Stadionecken. Kostenpunkt 40,1 Millionen Euro – mit „Risikozuschlag“ für Unwägbarkeiten und Baukostensteigerungen dann 47,8 Millionen Euro.
Der Knackpunkt ist: In allen Varianten umfassen die Kosten lediglich das Stadion selbst. Nicht aber die zusätzlichen Module wie Parkdecks, Geschäftsstelle oder Trainingsplätze. In der einfachsten Variante ist die Rede von 92 Millionen Euro brutto bis 105 Millionen Euro brutto. Die Stadt hat ein erhebliches Interesse daran, ein Finanzierungs- und Betriebsmodell zu entwickeln, in dem sie die Steuern abziehen kann. Aber auch dann würden sich die Summen zwischen 78 und 88 Millionen Euro bewegen.
Und das Problem für den SCP formulierte Thomas Paal griffig: „Die Grundvariante ist fürs Fußballspielen, die große Variante fürs Geldverdienen.“ Und das ist exakt das Dilemma. Um Geld verdienen zu können, muss man erst Geld ausgeben. Aufsichtsratschef Frank Westermann versuchte das anders aufzuzäumen: Zusätzliche Einnahmequellen wie Logen würden zu höheren Einnahmen führen und damit den SCP auch in die Lage versetzen, höhere Pachtzahlungen zu leisten. Soweit die Theorie.
Übersicht (Zahlen in Millionen Euro)
Variante: | 1 | 2 | 3 | 4 | 5 |
Erschließung | 0,94 | 0,94 | 0,94 | 0,94 | 0,94 |
Baukonstruktion | 10,3 | 12,4 | 12,2 | 14,1 | 15,2 |
Technische Anlagen | 6,1 | 7 | 6,8 | 7,6 | 8,1 |
Außenanlagen | 7,3 | 7,3 | 7,3 | 7,3 | 7,3 |
Ausstattung | 0,69 | 0,69 | 0,69 | 0,69 | 0,69 |
Baunebenkosten | 6,3 | 7,1 | 7 | 7,7 | 8,1 |
Summe | 31,7 | 35,5 | 35 | 38,4 | 40,5 |
Summe inkl. Risiko und Kostensteigerungen | 37,4 | 41,9 | 41,3 | 45,3 | 47,8 |
Parkdecks | 24,1 | 24,1 | 24,1 | 24,1 | 24,1 |
Geschäftsstelle | 14 | 14 | 14 | 14 | 14 |
Stadionwache | 0,4 | 0,4 | 0,4 | 0,4 | 0,4 |
Trainingsplätze | 2,1 | 2,1 | 2,1 | 2,1 | 2,1 |
Summe netto | 78 | 82,5 | 81,9 | 85,9 | 88,4 |
Summe brutto | 92,9 | 98,2 | 97,5 | 102,3 | 105,2 |
Sind die Kosten vor allem der „großen“ Variante in der Stadtgesellschaft und Politik zu vermitteln? Oberbürgermeister Markus Lewe (CDU) formulierte es am Montag so: „Das Stadion eignet sich nicht für parteipolitisches Hickhack. Wie in der Kultur braucht es auch im Sport Flagschiffe – und der SC Preußen ist ein Stück Stadtgeschichte. Ich behaupt, dass der SCP zu den bekanntesten Traditionsklubs Deutschlands zählt.“ Es gebe allerdings in Münster auch eine gewisse „Kannibalisierungsdebatte“. Warum bekomme der eine mehr oder weniger Geld als der andere. „Dieser Virus grassierte schon lange vor Covid-19 in der Stadt. Es geht hier aber um ein Miteinander.“
Lewe weiter: „Münster wird vielleicht bald 340.000, 350.000 Einwohner zählen. Und so eine Stadt benötigt auch einen Erlebnisraum wie ein Stadion. Der Sport in Münster ist hoch diversifiziert, aber es gibt eben wenig Sportarten, in denen man historisch oder im Vergleich wirklich sichtbar ist.“ Der SCP gehöre fraglos zu diesen herausragenden Bestandteilen. Und nicht vergessen: „Sport in einem Stadion ist immer auch ein soziales Projekt in einer Stadt. Dort gibt man Menschen auch ein Zuhause, eine Heimat.“
Klare Worte vom Oberbürgermeister, schon fast eine Bewerbungsrede für den Rat.
Apropos Rat. Es ist starker Wunsch des SC Preußen Münster, möglichst schnell verbindliche Wege einzuschlagen. Als Priorität 1 gilt die europaweite Ausschreibung, also der Architekturwettbewerb. Der SCP hätte das gerne schon in der August-Sitzung des Rates in die Wege geleitet. Aber Stadtdirektor Thomas Paal machte ehrlich gesagt wenig Hoffnung. „Wir haben noch die Kommunalwahl, ich bin da eher skeptisch. Es wird eher Dezember als August.“ Aber Paal versprach, zumindest zu prüfen, ob es nicht doch schneller geht.
Denn das ist eben einer der großen Pferdefüße. Die da sind: Zeit, Geld, Politik.
Allein die Vorbereitung der Ausschreibung wird Monate in Anspruch nehmen – und das in einem Jahr mit Covid-19 und Kommunalwahl. Dann brauchen die Archtekturbüros Zeit. Monate. Dann folgt eine Verhandlungsphase, in der Stadt, Klub und Architekten festzurren, was am Ende wirklich konkret wird. Dann braucht es Ratsbeschlüsse, Bauanträge. Und so summieren sich Monate und Monate und Monate.
Zwei Jahre darf man ganz locker einrechnen für diesen Prozess. Vor 2022 rollt da gar nichts. Paal. „Das zieht sich furchtbar lang hin.“ Aus gutem Grund verzichteten alle Beteiligten am Montag auf Festlegungen und Termine. Das alles befindet sich in einem dermaßen frühen Stadium, das jede Aussage morgen schon überholt sein könnte. Aber am Nachmittag hatten die Macher das Projekt schon Teilen der Ratsfraktionen vorgestellt – und da kursierten schon Bauzeiten zwischen drei und vier Jahren. Vor allem, weil eben ein Umbau im laufenden Betrieb ein sehr langwieriges Verfahren ist.
Strässer: „Das heute ist symbolisch“
Preußen-Präsident Christoph Strässer war zunächst einmal zufrieden. „Der Tag heute ist symbolisch, aber er ist ganz wichtig, das darf man nicht unterschätzen.“
Erstmals könne man nun etwas zeigen. Man könne nun wirklich auf die Suche gehen nach anderen Finanzierungsmöglichkeiten. Klinkenputzen auf hohem Niveau. Denn das gehört ja noch immer zum Plan: Alles wird die Stadt kaum leisten, also muss der SCP irgendwie etwas beisteuern. Lotto wäre ein Gedanke?
„Ich hoffe, dass ich es noch erlebe, dass da ein neues Stadion steht“, so Strässer. Klar sei, dass die Variante 5, die Endausbaustufe, Wunsch des Klubs sei. „Das wird dann politisch zu entscheiden sein.“
Unwägbarkeiten
Die Machbarkeitsstudie selbst setzt dem ganzen Projekt noch gewisse Grenzen. Es sei normal, dass es „Abweichungen“ bei den Kosten geben werde. Die könnten bis zu 40 Prozent unter oder (eher) über den veranschlagten Kosten liegen. Tja, und dann würde die Stadt nicht mehr über 88 Millionen Euro sprechen, sondern über 122 Millionen Euro, netto… Auch aus diesem Grund stehen in der Studie bereits jetzt zusätzliche Kosten für allgemein „Unvorhergesehenes“ (10 Prozent) und normale Baukostensteigerungen (8 Prozent). Aber das sind Schätzungen.
Und noch einmal bestätigten alle, was 100ProzentMeinSCP schon im Dezember nachgefragt hatte: Nein, ein sportlicher Abstieg der Preußen werde das Projekt nicht torpedieren. Das ist die offizielle Aussage und Haltung. Inwieweit das im Falle entsprechender Wahlergebnisse und im Falle eines Abstiegs wirklich belastbar ist, kann niemand sagen.
Es ist, wie gesagt, sehr früh.
Vielen Dank für den detaillierten Bericht!