Defensive Stabilität wird immer schwächer

Defensive Stabilität wird immer schwächer

7. Oktober 2024 10 Von Carsten Schulte

So lange ist es noch nicht her, seit Trainer Sascha Hildmann und Louis Cordes eine wichtige Entscheidung trafen. Weg von der Dreierkette, hin zur Viererkette. Die Umstellung brachte dem SC Preußen Münster im Winter 2023 eine neue defensive Stabilität und ebnete so den Weg für eine bemerkenswerte Rückrunde in der 3. Liga. 

Artikelbild: S. Sanders

Nicht ganz so signifikant fiel eine Umstellung nach dem dritten Spieltag aus. Aber auch sie zeigte eine Wirkung, nur anders. Niko Koulis, unumstrittener Stammspieler zu Drittligazeiten, fand eher wackelig in die 2. Bundesliga. Einem unglücklichen Auftritt in Fürth folgten Unsicherheiten in den folgenden Heimspielen gegen Hannover und gegen Kaiserslautern. 

Hildmann reagierte und brachte nach dem dritten Spieltag Torge Paetow, den Ex-Verler, für Koulis ins Spiel. Die eigentlich so anmoderierte „Pause“ wurde allerdings in der Folge zu einem Dauerzustand. Koulis war raus. Und Paetow entwickelte sich zum Einwurf-Monster beim SCP und auch zum Aushilfsstürmer: Ein Tor in Hamburg, ein Tor in Nürnberg. Damit könnte man den Wechsel rechtfertigen. 

Etwas anderes passierte allerdings auffällig zeitgleich: Der SC Preußen kassierte plötzlich Gegentore in Serie. Dabei kam einiges zusammen, natürlich. Erster Gegner nach der Umstellung war der VfB Stuttgart, gegen den die Preußen vollständig überfordert waren. Fünf Gegentore fielen einfach so, böse Lücken taten sich in der Abwehr der Preußen auf, was seinerzeit vor allem dem Champions-League-Gegner zugeschrieben wurde. 

Dass der SCP wenige Tage später auch in Hamburg vier Gegentore schlucken musste, war dann allerdings schon etwas weniger erwartbar. Bei fast allen Hamburger Treffern wirkte die Abwehr der Preußen nicht griffig genug – auch wenn Abwehrarbeit bekanntlich nicht erst an der letzten Kette beginnt. Aber wie einfach sich die Lücken vor dem Tor der Preußen auftaten, war schon irritierend. Was verstärkt wird dadurch, dass der SCP eben auch viele Hereingaben in Richtung eigenem Strafraum zulässt.

Nach Hamburg kassierte der SCP weitere drei Tore gegen Paderborn, zwei gegen Schalke, nun wieder drei in Nürnberg. Den zwischenzeitlichen und einzigen Saisonsieg in Regensburg darf man in dieser Liste ausklammern: Zum einen ist Regensburg in seiner aktuellen Verfassung kein Maßstab, zum anderen hat Regensburg neben einem heftigen Defensivproblem auch ein Offensivproblem. 

Apropos Offensivproblem. Nachdem die Preußen in den ersten drei Spielen nur ein Tor erzielt hatten, hat sich diese Situation mittlerweile völlig verändert. Elf Saisontore stehen nun fest, das sind ebenso viele wie der Tabellenführer aus Düsseldorf. Der Unterschied liegt in der Zahl der Gegentore. Mit 16 Gegentoren gehört der SCP zur Abstiegszone der Liga, nur vier Klubs haben mehr Tore kassiert als der SCP.

Das Regensburg-Spiel ausgeklammert sprechen mindestens die Zahlen eine deutliche Sprache: In den ersten drei Spielen kassierte der SCP vier Gegentore. In den sechs folgenden Pflichtspielen fielen 17 Gegentore (!). Im Schnitt macht das 2,83 Gegentore pro Spiel. Selbst wenn man für das Stuttgart-Spiel ähnliche Maßstäbe ansetzt wie für Regensburg und diese Partie einfach ausklammert, wären es noch immer 12 Gegentore in fünf Ligaspielen. Das macht dann 2,4 Gegentore pro Spiel.

Zum Vergleich: In den ersten drei Ligaspielen fielen im Schnitt nur 1,33 Gegentore. 

Ohne diese Gegentorflut ausgerechnet und allein Paetow in die Schuhe zu schieben: Es ist grundsätzlich auffällig, wie anfällig der SCP nach dem dritten Spieltag geworden ist. 

Unwillkürlich fragt man sich, ob die Abwehrkette aus der Vorsaison nicht auch in der 2. Liga eine Chance verdient hätte. So einfach ist das natürlich alles nicht. Benjamin Böckle ist weg, Rückkehrer Lukas Frenkert ist mit seiner Größe (bester Wert der Liga bei Kopfballduellen – und zweitbester Zweikampfwert der Liga!) und seiner Zweikampfstärke in der Innenverteidigung sicher nicht ganz zufällig gesetzt (und besorgte ganz nebenbei in Nürnberg den Ausgleich). Und würde es für Simon Scherder in der 2. Liga reichen? In Sachen Tempo und Größe würde er sicher keine Pluspunkte sammeln, aber Routine brächte er mit. Und Koulis? Gemeinsam mit Scherder gäbe es wenig Eingewöhnungszeit, beide haben lange Seite an Seite gespielt. Und Größenunterschiede zwischen Koulis und Paetow sind Sache von Millimetern. 

Denkbar wäre natürlich auch etwas anderes, dass nämlich der Defensivreihe der Preußen schlicht und ergreifend die Qualität oder die Sicherheit für die Anforderungen in der 2. Liga (noch) fehlt. Wahnsinnig überraschend wäre das sicher nicht. Aus dem Reigen der Kette bringt niemand Zweitliga-Erfahrung mit, Frenkert kickte zuletzt in der Regionalliga, Jano ter Horst rückte erst im vergangenen Sommer in die Kader der ersten Mannschaft und auch Paetow hat trotz seiner 29 Jahre „nur“ 77 Drittligaspiele in der Vita stehen, verbrachte die meiste bisherige Seniorenzeit in der Regionalliga. Irgendwo müssen die Unterschiede zu gestandenen Zweitligisten ja herkommen. 

Wenig Ballbesitz, wenig Passgenauigkeit

Die Zahlen belegen das derzeit auch: Mit nur 43 Prozent Ballbesitz im Schnitt weist der SCP den zweitschlechtesten Wert der Liga auf – knapp vor dem Tabellenletzten Regensburg. Und wenn das Team dann in Ballbesitz ist, bringt es nur 77,3 Prozent auch zum Mitspieler – das ist dann wirklich der schlechteste Wert der Liga.

Allerdings: Die Zeit spielt möglicherweise für den SCP, so oder so. Jedes Spiel in der 2. Bundesliga bringt Erfahrungen mit sich, so bitter die für sich genommen auch sein mögen. In Sachen Torschüsse liegt der SCP im oberen Mittelfeld der Liga. Auch bei den Zweikämpfen steht der SCP im sicheren Mittelfeld – das sind Werte, die auch auf dem Feld spürbar sind.

Zum Ende der Hinrunde wird der SCP alles einmal erlebt haben, dann stehen 17 Zweitligaspiele in der Bilanz und die nächsten 17 Spiele bleibt Zeit für eine Steigerung. Aber haben die Preußen so viel Zeit, wenn der Klassenerhalt realistisch bleiben soll? Nach der Partie in Nürnberg tat Sascha Hildmann das, was er in den vergangenen Jahr immer tat: Er ordnete ein. Abgerechnet werde nach 34 Spieltagen, nicht nach acht. Und natürlich stimmt das, aber dennoch muss der SCP im Moment reagieren.

Wäre aber ein Wechsel in der Kette überhaupt von Erfolg gekrönt? Diese Frage wird sich auch das Trainerteam stellen. Die Zahlen allerdings sind deutlich: Seit dem vierten Spieltag kassiert der SCP doppelt so viele Gegentore wie zuvor. Und dann reichen nicht einmal zwei Auswärtstore, um irgendetwas Zählbares mitzunehmen. Das ist die bittere Erkenntnis nach den ersten Zweitligaspielen nach 33 Jahren. Sie kommt auch nicht unerwartet. 

Die gute Nachricht: Einsatz und Leidenschaft der Mannschaft stimmen, auch deswegen gibt es von außen, mindestens von den Rängen, keine Unruhe.

Spiele am 8. Spieltag
Karlsruher SC3:3 (2:1)SV Darmstadt 98
SC Paderborn 073:0 (1:0)SSV Jahn Regensburg
1. FC Köln2:0 (1:0)SSV Ulm 1846
SV 07 Elversberg1:0 (0:0)1. FC Kaiserslautern
1. FC Nürnberg3:2 (1:2)SC Preußen Münster
FC Schalke 042:2 (2:1)Hertha BSC
Fortuna Düsseldorf0:3 (0:1)Hamburger SV
1. FC Magdeburg2:2 (2:1)SpVgg Greuther Fürth
Eintracht Braunschweig2:0 (1:0)Hannover 96


8. Spieltag
MannschaftSp.ToreDiff.Punkte
1Fortuna Düsseldorf811:7417
21. FC Magdeburg817:9816
3SC Paderborn 07816:9716
4Karlsruher SC819:14516
5Hamburger SV819:81115
6Hannover 9689:6313
71. FC Köln820:13712
8SV 07 Elversberg814:9512
9Hertha BSC813:14-111
10SpVgg Greuther Fürth813:10310
111. FC Nürnberg811:16-510
121. FC Kaiserslautern811:13-29
13FC Schalke 04816:19-38
14SSV Ulm 184689:11-27
15Eintracht Braunschweig89:19-107
16SV Darmstadt 98812:19-76
17SC Preußen Münster811:16-55
18SSV Jahn Regensburg81:19-184