Jan Winking: „Sehr geile Kulisse, absolut professionell“ – dann entlassen
8. August 2022Der Kontrast war für Bocholt durchaus sichtbar. In der Oberliga Niederrhein waren Stadien und Kulissen überschaubar, daher war die Auswärtspartie im Preußenstadion aus Sicht des 1. FC Bocholt durchaus bemerkenswert. Bocholts Trainer Jan Winking war begeistert, wurde aber kurz danach entlassen …
Mit dem in die Jahre gekommenen Preußenstadion kann der SC Preußen Münster heute nur noch bedingt punkten. Aus fußball-romantischem Blickwinkel bringt die Hammer Straße aber Flair mit. Und wenn das Stadion gut gefüllt ist, kann auch eine besondere Atmosphäre entstehen. Münster ist eben nicht St. Tönis, Baumberg oder Hiesfeld.
Am Freitagabend passierten rund 8.100 Fans die Stadiontore – und dieser aktuelle Zuspruch kommt schon etwas überraschend, guter Saisonstart hin oder her. Im vergangenen Jahr blieben die Zahlen doch spürbar niedriger, nur 5 Partien fanden mehr als 6.000 Zuschauer, darunter natürlich die 3 Partien im Saisonfinale, als es um den Aufstieg ging. Die bundesweit beste Viertliga-Kulisse sorgte also in Münster für Freude und beim Gästetrainer für Eindruck.
„Sehr geile Kulisse“, wertete Bocholts Trainer Jan Winking nach dem Spiel. „Das waren Rahmenbedingungen, die wir aus der Oberliga nicht kannten, das ganze Drumherum war sehr spannend und lehrreich.“
Am Montag folgte auf Winkings Aussagen dann die Entlassung. Nicht wegen seiner freundlichen Worte, sondern weil der Klubchef bereits nach dem 3. Spieltag kein Vertrauen mehr zum Aufstiegstrainer hatte. Eine durchaus bemerkenswerte Entscheidung, die bei Bocholts Fans nicht eben gut ankam, wie die Lektüre der entsprechenden Kommentare auf Facebook nahelegt.
Vor seiner Entlassung hatte Winking aber noch einiges zu sagen. Mit „lehrreich“ meinte er wohl auch den Verlauf des Spiels. Mit viel Willen war Bocholt nach zwei Auftaktniederlagen mit dem ganz neuen Mannschaftsbus angereist, wollte in Münster den „Bock umstoßen“. Stattdessen gab es eine schmerzhafte Niederlage. „Das 0:5 tut weh und war in der Höhe sicher auch etwas happig. Aber wenn der SCP neben seiner sportlichen Qualität auch noch effektiv agiert, haben wir eben ein Problem“, so Winking nüchtern.
Der Gästetrainer wollte das Ergebnis durchaus eingeordnet wissen. So schlecht habe sein Team ja nicht begonnen. Eine halbe Stunde lang habe sein Team durchaus mitgespielt und die Partie offen gehalten, habe sich auch Chancen erspielt. Das werteten auch die Preußen selbst so. Marc Lorenz beispielsweise, der klarstellte, dass man Gegner wie diesen erst einmal bearbeiten müsse. „Die musst du erst kaputtspielen, dann siehst du, dass sich irgendwann die spielerische Qualität durchsetzt.“ Bis zum Strafraum habe das anfangs beim SCP gut ausgesehen, aber dann habe der letzte Ball gefehlt. „Die Gegner wehren sich zuerst immer, irgendwann lässt die Kraft dann nach“, so Lorenz.
„Sehr gute Phase“
Die halbe Stunde Gegenwehr hielt der SCP aus, ging durch das Eigentor in Führung. Jan Winking: „Und dann hatte der SCP eine sehr gute Phase.“ Über die Seiten, über Manfred Kwadwo und Henok Teklab („Ich weiß nicht, was der in dieser Liga macht.“) flogen Bocholt die Bälle um die Ohren.
Dass es spannend blieb, lag einzig am knappen Spielstand, durch den sich die Gäste nach dem Wechsel noch etwas ausrechneten. „Aber dann zeigt Münster nach 47 Minuten seine Qualität mit dem 2:0 und dann wird es schwierig.“ In der Folge habe Bocholt eine ganz schlechte Phase gehabt, habe es nicht mehr verteidigt bekommen, gab Winking zu. Der Wunsch, das Ergebnis überschaubar zu halten, ging vielleicht teilweise in Erfüllung, aber so richtig auch wieder nicht. Denn Münster spielte seine Fähigkeiten aus, legte noch drei Tore nach. Spätestens da ging es für Bocholt nur noch darum, sich „gut aus der Affäre zu ziehen“, wie Winking sagte. Dass ein, zwei gröbere Fouls dabei waren, sollte nicht sein. „Sorry dafür“, meinte Winking später. „Wir wollten natürlich nicht den Gegner attackieren, sondern noch ein paar Meter machen.“ Das gelang tatsächlich, auch weil Münster zwar mit sichtbarer Spiellaune agierte, aber es bei den 5 Tore beließ. Winking: „Das war eine absolut verdiente Niederlage, vielleicht aber kein klares 5:0.“ Die meisten Zuschauer und auch Sascha Hildmann dürften das anders gesehen haben – von außen sah es am Ende doch eher nach einem ziemlich deutlichen 5:0 aus…